Flo Mega: „Im Unperfekten liegt die Perfektion“
Flo Mega schmettert deutsche Texte über Liebe, Lust und Frust. Im Interview erzählt er, was ihn am Soul fasziniert und wie er nach einem Absturz sein Leben in den Griff bekam.
Düsseldorf. Flo Mega alias Florian Bosum stammt aus dem kühlen Norden, singt aber so leidenschaftlich, als habe er die Soul-Musik mit der Muttermilch aufgesogen. Das Album des 34-Jährigen heißt „Mann über Bord“.
Flo Mega, Ihr Soul speist sich nicht aus der Memphis- und Motown-Tradition. Wo setzen Sie mit Ihrer Musik an?
Flo Mega: Ich persönlich hatte schon immer den Mut, Sachen ein bisschen dreckiger bzw. unfertiger zu präsentieren und in den Harmonien mehr den Gospel und den R&B zu nutzen. Aber viele Leute um mich herum fanden das abgelutscht und alt. Es kristallisiert sich jetzt langsam raus, dass ich mehr und mehr die Führung übernehme. Momentan stellt sich mir die Frage, ob ich in den Retro-Bereich gehe, um noch mal zu zeigen, wie es läuft. Oder ob ich lieber eine etwas modernere Schiene fahre und wieder Richtung Hip-Hop gehe. Die Industrie hat mir gesagt, was ich spielen muss, damit es mit mir nach oben geht. Mein Herz sagt mir aber etwas anderes.
Was gibt Ihnen die Soulmusik, was Ihnen der Hip-Hop nicht geben kann?
Flo Mega: Im Hip-Hop wird sehr klar zur Sprache gebracht, was los ist. Im Soul ist das nicht so, da geht es vor allem um den Ausdruck. Die hundertprozentige Wahrheit liegt im Ausdruck. Er ist mit Worten nur sehr schwer zu beschreiben. Ich arbeite gerade an Rap-Stücken, weil ich auf dieses Geerdete wieder Bock habe. Rap ist eigentlich ziemlich bieder und gar nicht so komplex wie es scheint. Wenn man es richtig macht, kann Rap wie verbalisierter Jazz sein. Ich kenne Sachen, die klingen wie John Coltrane.
Haben Sie an sich selbst den Anspruch, möglichst perfekt zu sein?
Flo Mega: In den Gefühlen liegt bei mir eine Perfektion. In manchen Momenten habe ich das Gefühl, über die Perfektion hinaus zu gehen. Aber das mache ich nur für mich. Gerade im Unperfekten liegt für mich die Perfektion. Das liegt auch an meinem Wesen und an meiner Geschichte. Ich war immer schon ein umstrittener Charakter. Ich wurde als sehr hübsch und als sehr hässlich angesehen. Ich habe eine andere Prägung als jemand, der immer schön war und immer nur vermeintlich Schönes getan hat.
Wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde?
Flo Mega: Ganz genau, das ist die althergebrachte Assoziation.
Gibt es Momente, in denen Sie sich überfordert fühlen?
Flo Mega: Auf jeden Fall. Ich habe eine super Band. Manchmal zu merken, dass ich eigentlich überhaupt nichts weiß, ist frustrierend. Aber es ist ein Wechselspiel, weil ich den Jungs auch sehr viel gebe. Wenn ich mich ans Drum-Set setze, sind die gut drauf. Aber wenn wir auf Tour sind, reden wir uns oft in Rage. Dann kommt der Tour-Koller, der Zynismus, der schräge Humor und die Musiker untereinander hören nicht mehr auf, sich gegenseitig Insiderwitze zuzuwerfen. Da dreht sich bei mir manchmal echt die Birne.
Auf Ihrem aktuellen Album „Mann über Bord“ singen Sie hoffnungsvoll „Hinter dem Burn-out liegt das Paradies“. Sie waren vor einiger Zeit in einer Entzugsklinik. Wie schlimm stand es um Sie?
Flo Mega: Es war sehr extrem. Meine Mama hat aber gemeint, ich solle dazu nichts mehr sagen. Weil schon so viel in den Medien war. Ich musste einfach darüber sprechen, weil es in mein Leben reingegrätscht ist. Es war mir wichtig, dass jeder weiß, wie es ist. Es war sehr, sehr schlimm. Aber das steht auch überall. Ich will darauf nicht mehr eingehen und lieber nach vorne gucken.
Ist man angreifbarer, wenn man seine Emotionen so öffentlich macht wie Sie?
Flo Mega: Ich habe da eine Störung. Mag sein, dass ich grenzgängerisch bin, aber es soll auch etwas bewirken. Mir ging es um Folgendes: Ich erzähle jetzt einmal aus dieser Phase meines Lebens und danach nie wieder. Ich will, dass die Leute auf meine Musik achten und nicht auf das, was ich lebe. Man soll mich wegen meiner Musik mögen und nicht, weil ich eine harte Zeit durchgemacht habe oder weil ich etwas hatte, was sich in der Gesellschaft nicht schickt.
Reden wir über Musik: Angeblich ist Manfred Krug für Sie eine frühe musikalische Inspiration gewesen.
Flo Mega: Seine Sachen aus den Siebzigern inspirieren mich generell. Viele Sänger haben versucht, den Motown-Sound ins Deutsche zu übertragen, aber es hat fast nie geklappt. Aber bei ihm schon. Mein Aha-Erlebnis mit dem Soul hatte ich irgendwann als Kind auf der Rückbank des Autos von meinem Papa. Wahrscheinlich ist das um 1986 passiert mit der Platte „Masterpieces“ von den Temptations.
Sehen Sie sich als Geschichtenerzähler oder sind Ihre Songs stets autobiografisch?
Flo Mega: Das hat schon immer irgendetwas mit mir zu tun. Ich weiß aber nicht, wo ich in Zukunft das Holodeck betreten werde. Mal schauen. Im Moment schreibe ich Aphorismen auf, die mir in den Kopf kommen. Und daraus entstehen irgendwann Songs. Gerade im Rap sind gute Ansätze für einen Song drin. Man schreibt konzentrierte Inhalte. Es kommt wie es kommt.
Was zeichnet einen guten Song aus?
Flo Mega: Uff. Ja, dass er allen gut tut. Und dass er verstanden wird. Ganz einfach. Heutzutage macht es nicht unbedingt einen guten Song aus, wen du deine vier Akkorde spielst und dazu irgendeine Scheiße singst. Ich finde, ein guter Song sollte Niveau vermitteln auf eine Weise, dass keiner sich ausgegrenzt fühlt.
In einem Interview haben Sie mal gesagt, dass es sehr schwer ist, von der Musik zu leben, weil die Fixkosten so hoch seien. Setzt Sie das nicht unter großen Druck?
Flo Mega: Ne, nicht mehr. Ich bin zufrieden mit meinem Standing. Es ist alles okay. Ich halte mich von den Leuten mit den großen Zahlen fern. Ich will nicht wissen, was die von mir denken. Machst Du noch lange? Ich muss nämlich meine Tochter aus dem Tanzunterricht holen.
Letzte Frage: Wie kriegen Sie Beruf und Familie unter einen Hut?
Flo Mega: Weiß ich nicht, ist erst seit kurzer Zeit so. Läuft eigentlich. Ist anstrengend, aber geht. Ich bin öfter zuhause als jemand, der 24/7 ins Büro geht. So gesehen gar, nicht schlecht.
“ Flo Mega kommt am 22. August nach Düsseldorf ins Treibgut.