Garage und Stadion: The Black Keys im Spagat

Berlin (dpa) - Sie sind derzeit eine der wenigen Bands, auf die sich mehrere Generationen von Rockfans einigen können: The Black Keys. Mit dem neuen Album entfernt sich das Grammy-dekorierte US-Duo nun noch ein Stück weiter vom ungehobelten Blues-Sound seiner Anfangstage.

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Äußerlich haben sich die Frontmänner der Black Keys kaum verändert: Schlagzeuger Patrick Carney mit wilder Haartolle und Nerd-Brille, Sänger/Gitarrist Dan Auerbach mit Sechstagebart und Augenringen - eine stark übernächtigte Version des Schauspielers Ryan Gosling gewissermaßen.

Doch ihre Musik hat sich seit den primitiven Garagenrock-Anfängen vor zwölf Jahren stetig weiterentwickelt. Mit dem achten Studioalbum „Turn Blue“ (Nonesuch/Warner) treten die „schwarzen Tasten“ nach Grammy-Ehrungen und Millionenverkäufen in eine spannende, auch schwierige Phase ein.

„Wir sind keine Underdogs mehr. Es gibt jetzt bestimmt Leute, die sich wünschen, dass wir mal etwas so richtig in den Sand setzen“, unkte Carney im Interview des Musikmagazins „Mojo“. In der Tat kursieren im Netz schon „Ausverkauf!“-Anklagen, seit The Black Keys nach dem Mega-Erfolg von „Brothers“ (2010) und „El Camino“ (2011) mit zwei eingängigen Singles zurückkehrten.

Dabei sind sowohl „Fever“ als auch der Titelsong des Albums doch typischer Black-Keys-Stoff - Lieder, die sich bei rauem Blues und Soul bedienen, mit Auerbachs toller Falsettstimme und Gitarrenlicks als Sahnehäubchen. Gewohnt erstklassiges Rockradiofutter eben.

Auerbach weist Vorwürfe, die Black Keys seien jetzt arg handzahm, denn auch vehement zurück: „Wir sind zu unseren Bedingungen zum Pop-Act geworden, ohne dass wir uns von irgendetwas distanzieren mussten“, sagte er dem „Rolling Stone“. Und Carney ergänzte: „Ich habe Rasen gemäht und Geschirr gespült, und ich sehe nicht ein, warum ich nicht belohnt werden sollte.“

Ja, der Weg vom Underground-Duo im Schatten der ähnlich werteorientierten, auch stilistisch verwandten White Stripes zur allseits verehrten Hit- und Stadionband kann eben steinig sein. Als müssten sie ihre Kreativität und Integrität auch mit dem neuen Album erst wieder beweisen, haben The Black Keys den dicksten Brocken gleich an den Anfang von „Turn Blue“ gesetzt.

„Weight Of Love“ ist eine tiefschürfende, fast siebenminütige Ballade mit ganz viel Psychedelia, bis zum Einsetzen des Gesangs vergehen gut zwei Minuten. Pink Floyd zu ihrer größten Zeit Anfang/Mitte der 70er Jahre kommen in den Sinn, auch in den Gitarrensalven, die Auerbach hier immer wieder abfeuert. Peinlich kommerziell klingt definitiv anders.

Mit „In Time“ kehren The Black Keys dann auf vertrauteres Gelände zurück, und so weit wie im Opener weichen sie auch danach nicht mehr vom Kurs ab. In den insgesamt elf Songs geht es einige Male um Auerbachs gescheiterte Ehe - ein elegischer Unterton schleicht sich in den immer noch angemessen ruppigen Sound (wie schon seit Jahren produziert von Brian „Danger Mouse“ Burton).

„Es war ein hartes Jahr, und das hört man sicher in den Texten, sogar in den Gitarrensoli, die ganz ungeplant einfach klagend und expressiv rauskamen“, bestätigt der 34-Jährige. Mit dem Rausschmeißer „Gotta Get Away“ im Stil von Creedence Clearwater Revival lässt das Duo dann aber wieder die gute Laune herein.

Kein Zweifel: „Turn Blue“ ist ein ausgereiftes, schnittiges Black-Keys-Album, das sich vom brachialen Beginn mit „The Big Come Up“ (2002) weit entfernt hat. Aber vom Kommerz vereinnahmen lassen sich Auerbach/Carney damit nicht.

Und dann gibt es ja auch noch die Bühne, auf der sich die beiden so wild austoben wie eh und je. Bei einem kurzen, aber hochintensiven Radiokonzert Anfang Mai, vor gerade mal 500 Glücklichen in Berlin, bewiesen The Black Keys mit Nachdruck, dass sie weiterhin Hoffnungsträger der oft totgesagten „handgemachten“ Rockmusik sein wollen - und können.

Open-Air-Konzerte im Sommer: 20.6. Neuhausen (Southside Festival); 22.6. Scheessel (Hurricane Festival); 27.6. St. Gallen/Schweiz; 22.7. Nyon/Schweiz