Geglücktes Hamburger Revival der Oper „Die tote Stadt“

Hamburg (dpa) - Korngolds Meisterwerk „Die tote Stadt“ ist ein verführerisch gleißender Mix aus schäumenden Melodien und bizarren Gewissensqualen. Die Höllenfahrt eines Mannes (Paul), der eine Frau (Marietta) trifft, die aussieht wie seine tote Geliebte, so dass er deren Wiederauferstehung inszeniert.

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Ob die Manipulation gelingt, ist der Spannungsmotor des Werks. Der Filmregisseur Alfred Hitchcock hat daraus später seinen Kino-Schocker „Vertigo“ gemacht.

Für das Hamburg-Revival der „Toten Stadt“, für die Erich Wolfgang Korngold (1897-1957) den symbolistischen Roman „Bruges La Morte“ (Brügge, die tote Stadt) des Belgiers Rodenbach benutzte, stand Intendantin Simone Young am Pult. Sie ging das Werk, dem bis heute der Ruch des Kitsches anhängt, mit scharfen Akzenten an, ließ die Philharmoniker mit Verve ergründen, was an tiefenpsychologischem Furor und leitmotivischen Künsten in der Musik steckt.

Die Regisseurin Caroline Gruber, hier zuletzt mit Reimanns „Lear“ gefeiert, war Young dabei ein kluger Partner. Wie in Trance verschoben und verschränkten sich bei ihr die Figuren und Bezüge des vielschichtigen Werks. So wurde die Dienerin zur toten Geliebten, die Geliebte zur Dienerin und Madonna. Ein alptraumhafter Totentanz nahm seinen Lauf, in dessen Folge Nonnen aus Gräbern stiegen, Brügges bigotte Bürger zu Richtern wurden, Paul als Folterer und Gefolterter erschien.

Wie weit darf Trauer gehen? Darf der Trauernde aus religiösen Skrupeln das Leben der Geliebten aufs Spiel setzen? Grubers Antwort war klar und rechnete überdies elegant mit einem düster rauschhaften Katholizismus ab, der die von Wagner und Strauss inspirierte Oper beklemmend durchzieht. Selbst der Schluss, dem Korngold ein etwas fades Happy-End aufzwang, wirkte in Grubers gespenstischer Vision zwingend.

Das Ereignis des Abends aber war der große Wagner-Star Klaus Florian Vogt in der Mammutpartie des Paul. Mit feinem, unsentimentalen Ton und aufrührerischer Ekstase gab er den Unglücks-Witwer. Ihm zur Seite: die virtuose US-amerikanische Sopranistin Meagan Miller als leidenschaftliche, mitunter etwas vibratostarke Marietta. Mit nostalgischer Süße sangen beide ihr Duett vom „Glück, das mir verblieb“. Jenen Opern-Hit, der wie Pierrots schwelgerisches Walzer-Lied „Mein Sehnen, mein Wähnen“ (glänzend: Lauri Vasar), das Premierenpublikum begeisterte.