Gilbert Bécaud: Hochspannung für die Ewigkeit

Paris (dpa) - Selten hat ein Spitzname so gut zu einer Person gepasst wie „Monsieur 100 000 Volt“ auf Gilbert Bécaud. Schon an dem Dreikäsehoch entdeckten seine Musiklehrer am Konservatorium in Nizza neben seinem Talent auch seinen lebhaften Charakter.

Als Bühnentier Jahre später steckte er mit seiner überbordenden Energie das Publikum an. Bis zu 250 Konzerte gab der temperamentvolle Sänger jährlich. Seine Fans sangen, klatschten und verlangten Zugabe auf Zugabe. Diese Energie wirkt zehn Jahre nach dem Tod Bécauds, der die schöne Fremdenführerin „Nathalie“ in Moskau besang, noch nach.

„Wenn der Poet tot ist, dann nistet sich Schweigen und Traurigkeit ein.“ Ein Satz, mit dem der frühere Präsident Jacques Chirac den Komponisten und Chansonnier würdigte, der am 18. Dezember 2001 auf seinem Hausboot in Paris an Lungenkrebs starb. Die Zeilen stammen aus Bécauds „Quand il est mort, le poète“. Beide, Frankreichs Ex-Staatschef und der Musiker, haben sich getäuscht. Denn zehn Jahre nach dem Bécauds Tod sind sein Werk und seine Person im kollektiven Gedächtnis tief verankert und äußert lebendig.

Zu seinem Todestag wimmelt es von musikalischen und literarischen Hommagen. Seine besten Chansons werden in mehreren und unterschiedlichen Formaten herausgegeben. Auch in Deutschland, wo er einer der Beliebtesten seiner Zunft war, huldigt man seinem unbändigen Temperament. Und das gleich mit einem Doppelalbum. „Unsterblich - Seine größten Chansons“ vereint seine großen Klassiker wie „L'orange“, „Le jour où la pluie viendra“ und „L'important c'est la rose“. Seine Frau Kitty, mit der er über 35 Jahre verheiratet war, plaudert in dem Buch „Gilbert Bécaud: la première idole“ aus dem Nähkästchen.

Stahlblauer Anzug, getupfte Krawatte und die Hand am Ohr als Markenzeichen: Fünf Jahrzehnte war Bécaud, der als Pianist in Nachtclubs begonnen hatte und 1952 von Edith Piaf entdeckt wurde, im Show-Geschäft aktiv. Mit seiner rauen, kratzigen Stimme sang der Schönling von Liebe, den Märkten in der Provence und dem Tag, als der Regen kam. Er sang und komponierte sich hoch zu einer Ikone des Chansons. Leicht war der Sprung über den Atlantik an den Broadway. Wann und wo immer er die Bühne betrat, lag ihm ein sentimental gestimmtes Publikum zu Füßen.

Edith Piaf, Dalida („Am Tag, als der Regen kam“), Marlene Dietrich („Marie-Marie“) sowie Frank Sinatra und Barbra Streisand („What now my love“) rissen sich um Bécaud-Kompositionen. Was der populäre Meister zwischen seinen täglichen drei Schachteln Zigaretten und zahlreichen Whiskeys auf der Bühne gekonnt vorstellte, war oft hitverdächtig. Die Grundlage seiner Musik war Jazz, angereichert mit mediterraner Dramatik und lateinamerikanischem Tempo.

Hin und wieder machte Bécaud einen Abstecher ins Kino. 1956 stellte er seinen ersten Film „Le Pays d'où je viens“ vor, es folgten der Revuefilm „Casino de Paris“ (1957) mit Caterina Valente und „Les Petits Matins“ (1961). 1959 komponierte Bécaud die Musik für „Babette zieht in den Krieg“ mit Brigitte Bardot. Am wohlsten fühlte er sich jedoch auf der Bühne mit seinen Fans, für die er rund 400 Chansons komponierte.

Für Bécaud war die Bühne eine Droge. Bereits 1998 litt er an Mundhöhlenkrebs. Die Krankheit hielt ihn nicht davon ab, weiter zu komponieren und Konzerte zu geben: „Monsieur 100 000 Volt“ bis zum bitteren Ende.