Goethe als Operettentexter - „Le Chalet“ in Wildbad

Bad Wildbad (dpa) - Adolphe Adam war zu seinen Lebzeiten (1803-1856) ein erfolgreicher Komponist, ein kenntnisreich-witziger Kritiker, ein Musiker mit Einfluss. Fast 50 Opern gehen auf sein Konto, dazu 16 Ballette.

Sein „Postillon von Lonjumeau“ verirrt sich auch heute noch auf manche Bühne. Sein Ballett „Giselle“ hat Geschichte geschrieben. Aber sonst? Sein gewaltiges Werk wartet immer noch auf seine Entdeckung. Das Belcantofestival „Rossini in Wildbad“ überrascht jetzt bei der Eröffnungspremiere mit Adams spritzigem Einakter „Le Chalet“ - einer guten Stunde temporeicher Unterhaltung auf hohem musikalischen Niveau.

„Le Chalet“, das ist eine Almhütte im Appenzeller Land. Großdichter Goethe hat dort sein Singspiel „Jery und Bätely“ angesiedelt. Die schöne Sennerin Bätely hat mit Männern nicht viel am Hut. Der sie anschmachtende Jery kommt erst mit tatkräftiger Mithilfe eines Freundes zum Zuge; der macht der jungen Frau mit vorgetäuschter Aggressivität klar: Ohne einen männlichen Beschützer geht es nicht! Soweit, so harmlos. Aber als ob der große Goethe als Autor nicht gut genug wäre - Eugène Scribe, Starlibrettist seiner Zeit, hat den Text noch einmal aufgemotzt und mit gnadenlos-populären Songtexten versehen. Beispiel: „Wein, Rum und Schnaps! Das tut dem Magen gut!“

Adolphe Adam musste jetzt nur noch eine zündende Musik liefern. Und das tat er. Die Uraufführung seiner in wenigen Tagen komponierten Partitur 1834 in Paris wurde ein rauschender Erfolg. Wenn man die Musik in Wildbad mit dem soliden Orchester „Virtuosi Brunensis“ unter Leitung des kompetenten Dirigenten Federico Longo hört, begreift man, aus welcher Tradition Operettengroßmeister Jacques Offenbach schöpfen konnte. Adams Musik ist temporeich, voller geschmeidiger melodiöser Wendungen, geschmackvoll instrumentiert und sehr sängerfreundlich.

Festival-Chef Jochen Schönleber, der nur aus einem kleinen Etat schöpfen kann, ist es gelungen, drei hoffnungsfrohe Solisten zu finden. Diana Mian als Bätely ist eine junge Sopranistin, die ihren Weg machen wird. Artavazd Sargsyan singt den Jery mit seiner angenehm klingenden Tenorstimme. Bassist Marco Filippo Romano als Schweizer Soldat Max verfügt über eine wendige Gesangstechnik und großes komödiantisches Talent. Die Inszenierung von Nicola Berloffa und die Ausstattung durch Caroline Stauch und Claudia Möbius sind unaufwendig und bunt. Und auch der beherzt singende Camerata Bach Chor versucht sich auf der engen Wildbader Bühne an choreographischen Einlagen.