„Götterdämmerung“: Kriegenburgs „Ring“ schließt sich
München (dpa) - Der Intendant Nikolaus Bachler hatte ihn gewarnt: Regisseur Andreas Kriegenburg werde es bei den Kritikern schwer haben mit seiner zurückhaltenden Interpretation von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ - beim Publikum nicht.
Damit hatte er nur teilweise recht. Denn auch die Kritiker-Bilanz, die Kriegenburg nach drei Vierteln von Wagners Mammutwerk vorzuweisen hat, ist alles andere als vernichtend.
Den vorläufigen Höhepunkt legte der Regisseur mit seinem „Siegfried“ vor. Mit riesigem Statisten-Aufgebot und einem Ausnahme-Siegfried Lance Ryan begeisterte die Inszenierung Publikum und Kritiker gleichermaßen - und versöhnte letztere, die nach einer als uninspiriert und fast konzertant verrissenen „Walküre“ schon kurz davor waren, Kriegenburgs „Ring“-Projekt für gescheitert zu erklären.
Der Regisseur war im Februar mit einer Idee angetreten, die er in der Wagner-Rezeption für fast revolutionär hielt: „Wir versuchen eher, demütig mit seinem Werk umzugehen“, sagte er damals. „Das heißt, dass wir uns eher von ihm als Künstler ernähren, als dass wir jetzt versuchen, einen künstlerischen Gegenentwurf auf die Beine zu stellen.“
In der praktischen Umsetzung bedeutet das: Wotan ist kein Großindustrieller, die Rheintöchter keine Huren und politische Assoziationen haben auf Kriegenburgs Bühne nichts zu suchen. Opernintendant Bacher nennt seinen „Ring“ ein psychologisches „feines Kammerspiel“.
Das ist es, so muss man kurz vor Schluss sagen, allerdings nur bedingt geworden. So ging der begrüßenswerte Ansatz, auf vorgefertigte Schemata und Orientierungshilfen zu verzichten, in der „Walküre“ über in eine schlicht nicht vorhandene Figurenführung.
„Sobald ich als Zuschauer Zuordnungen sehe und verstehe, habe ich große Schwierigkeiten, emotionale Nähe zu den Figuren aufzubauen“, hatte Kriegenburg sein Konzept erklärt. „Wir versuchen, das zu unterlaufen, und wollen die Figuren in ihren psychologischen Details wahrnehmbar machen.“ Das sei zu wenig, maulte schon nach der „Rheingold“-Premiere der ein oder andere Musikfreund auf der Facebook-Seite der Staatsoper.
Und so wird Kriegenburgs „Ring“ - der erste an der Münchner Oper seit zehn Jahren - wohl nicht wegen feinsinniger Psychologisiererei in Erinnerung bleiben, sondern vor allem wegen grandioser Bilder. Die schafft der Regisseur durch eine unglaubliche Statistenfülle. Menschen, die in blauer Farbe den Rhein bilden oder die Burg Walhall bauen - das hat es sicher so noch nicht gegeben. Mit Ausnahme der aber ohnehin für einen Regisseur kaum zu bewältigenden Drachenszene im „Siegfried“ ist Kriegenburgs Konzept, einen im kollektiven Gedächtnis verhafteten Mythos auch im Kollektiv zu erzählen, aufgegangen.
An diesem Samstag schließt sich nun der „Ring“ mit Stephen Gould als Siegfried und Nina Stemme als Brünnhilde. Am Pult steht natürlich Kent Nagano, der seine zweitletzten Opernfestspiele als Generalmusikdirektor bestreitet und - zumindest in den Augen seines Münchner Publikums - sowieso nichts falsch machen kann.