Gustaf Norén über Schweden, Familie und falsche Bilder

Stockholm (dpa) - Sie haben schon oft einen auf den Deckel gekriegt, weil sie sich mit Rockstars verglichen, die nach Meinung vieler eine Nummer zu groß für die Schweden waren.

Von der Überheblichkeit, die den Musikern von Mando Diao oft vorgeworfen wird, ist im Interview mit Frontmann Gustaf Norén nichts zu merken. Der 31-Jährige nimmt sich Zeit, gibt sich nachdenklich und erklärt frei heraus, wieso ihn Höflichkeit manchmal einfach anstrengt.

Ihr kommt aus der schwedischen Provinz. Was bedeutet euch Eure Heimat?

Norén: „Wenn ich unterwegs bin, spiele ich eine Rolle - ob ich es will oder nicht. Die Leute haben ein bestimmtes Bild von dir, wenn du berühmt bist. Sie sehen dich in einer Art, die nie mit dem übereinstimmt, wie du in Wirklichkeit bist. Es ist nicht schwer, damit klarzukommen. Du schwimmst mit dem Strom. Aber was ich an Zuhause mag, ist, dass die Leute mich dort so sehen, wie ich bin. Ich muss keine Rolle spielen. Ich bin einfach ich selbst.“

Haben die Leute ein falsches Bild von Dir?

Norén: „Nein, das nicht. Aber wenn ich mich mit jemandem unterhalte, kennt er mich meist schon, und ich ihn nicht. Egal was ich sage: Er hört etwas anderes heraus, als wenn er mich nicht kennen würde. Wenn ich zu Hause mit jemandem spreche, kenne ich denjenigen und er kennt mich. Da fühle ich mich wohler und kann ganz anders sprechen, viel ehrlicher. Überall anders muss ich immer soviel netter zu den Leuten um mich herum sein. Wenn ich auch nur etwas ansatzweise Blödes sage, heißt es: Was für ein Arschloch. Wenn ich mit Mando Diao unterwegs bin, muss ich mich geradezu präsidial verhalten.“

Habt Ihr eure Heimat mehr schätzen gelernt, seit Ihr so viel unterwegs seid?

Norén: „Am Anfang war das Leben auf Tour aufregend, weil es neu und frisch war. Jetzt ist es zur Routine geworden und hat dadurch etwas von seinem Charme verloren. Dann mag man sein Zuhause mehr. Aber wir wussten es schon immer zu schätzen, Freunde um uns herum zu haben.“

Früher habt Ihr Euren Heimatort Borlänge oft als langweiliges Kaff bezeichnet. Jetzt seid Ihr erwachsen, habt Kinder. Hat das Eure Sicht darauf verändert?

Norén: „Wenn du zwischen 20 und 30 bist, ist Borlänge furchtbar. Du willst was erleben und es gibt dort absolut nichts zu tun. Wenn du älter wirst, ist es leichter, da zu sein. Es sind mehr Menschen in deinem Alter da, die Leute ziehen nach der Uni zurück. Ich hatte aber irgendwie immer dasselbe Leben: Erst war ich als Kind Teil einer Familie. Dann habe ich schon mit 25 selbst Kinder bekommen. Ich war also erst Kind und dann Vater, dazwischen war im Prinzip nichts.“

Vermisst Du die Zeit dazwischen manchmal?

Norén: „Nein. Wir waren vier Kinder zu Hause. Das Familienleben war wild und hektisch, es gab jeden Morgen Kämpfe und Geschrei. Ich habe mich nie davon erholt, bevor ich selbst eine Familie gegründet hab. Für mich ist das aber normal, ich mag das.“

Ihr lebt in der Stadt, kommt aber vom Land. Wo seid Ihr lieber?

Norén: „Wir haben unsere Familien in Stockholm und arbeiten dort, aber wir versuchen auch, oft auf dem Land zu sein, in Dalarna. Sobald wir frei haben, fahren wir hin. Das ist wie eine Oase für uns. In ein paar Wochen geht es wieder dorthin, wir nehmen ein neues Album auf.“

Gerade in Deutschland seid Ihr zur Zeit erfolgreich, habt viel mehr Fans als in Eurer Heimat.

Norén: „Ja! Dort sind wir viel größer als in Schweden. Ich werde in Stockholm kaum erkannt. In Deutschland sind wir wirklich berühmt. Das Land als Ventil für unsere Kreativität zu haben ist fantastisch. Es ist ein unglaubliches Land für Künstler, liberal, aufgeschlossen. Es gibt Galerien, die bis Mitternacht offen haben, und die Leute gehen nicht nur in Bars, um sich zu besaufen und eine Prügelei anzuzetteln wie in Schweden.“

Gespräch: Julia Wäschenbach, dpa