„Hacking Wagner“ - Tanz-Performance um Wagner-Bann
München (dpa) - Die jüdische Choreographin Saar Magal fasst ein heißes Eisen an. In ihrer Performance „Hacking Wagner“ widmet sie sich der Wagner-Rezeption in ihrem Heimatland.
Richard Wagner findet in Israel nicht statt. Es gibt zwar kein offizielles Verbot seiner Musik, aber einen gesellschaftlichen Bann wegen seines antisemitischen Gedankenguts und des Gebrauchs seiner Musik während des Nationalsozialismus. Daran möchte die israelische Choreographin Saar Magal rütteln. „Es gibt da einfach diesen Konsens, den niemand mehr in Zweifel zieht“, sagt sie. Eine Diskussion darüber stößt sie nun mit der intensiven und kritischen Tanz-Performance „Hacking Wagner“ an, die am Freitagabend im Münchner Haus der Kunst uraufgeführt wurde.
Der Aufführungsort wurde bewusst gewählt: Adolf Hitler eröffnete das Haus der Kunst 1937 - es wurde zum Sinnbild der Gleichschaltung der Künste während des Nationalsozialismus. In Dialogen, Tanzszenen und Videos setzt sich Magals Stück mit der Frage auseinander, ob Musik verwerflich sein kann, weil der Komponist Antisemit war. In ihrer Heimat Israel ist das umstritten. In „Hacking Wagner“ lässt die 36-Jährige gleich zu Beginn in Videoeinspielungen beide Seiten zu Wort kommen: Jüdische Musiker, die gern Wagner spielen würden und Holocaust-Überlebende, die sich bei der Musik schmerzlich an die Qualen der Nazi-Zeit erinnern.
Auf ihrer Suche nach einer Antwort für das Nichtvorhandensein Wagners in ihrer Heimat und der Bewunderung für ihn im deutschsprachigen Raum, zerlegt Magal das Werk des Komponisten bis in die kleinsten Bestandteile. „Es geht ja darum, Wagner zu zerhacken, die Diskussion darüber zu zerhacken, heilige Kühe zu zerhacken“, sagt sie. Das Stück läuft im Rahmen der Veranstaltungsreihe rund um Wagners „Ring“ der Bayerischen Staatsoper.
Magal setzt auf Kontraste. Sie thematisiert Wagners monumentale Opern und sein antisemitisches Gedankengut mit ihrem Nachhall bis in die heutige Zeit. Ihre vier Tänzerinnen und Tänzer aus Deutschland, Israel und Schweden marschieren und hetzen durch die Stuhlreihen. Sie winden sich mitten im Publikum auf dem Boden, während die Walküren dröhnen. Sie reißen das Publikum im wahrsten Sinne des Wortes von den Stühlen, arrangieren diese neu, türmen sie zu einem Scheiterhaufen auf - und tanzen darum herum. Die Tänzer werden von einem Auto überrollt, um später damit vor der Kulisse israelischer Strände zu fahren.
Die Choreographin fordert das Recht ein, das Thema Wagner-Bann zu diskutieren, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Dramaturg Olaf A. Schmitt erläuterte, das Stück wolle keine Antworten geben, sondern eine Auseinandersetzung mit Wagner anstoßen - das Feld sei nun bereitet. Magals Großeltern überlebten die Konzentrationslager. Sie sind gegen den Wagner-Bann. „Für sie ist es so, als wende man Nazi-Methoden in Israel an. Auch die Nazis haben Kunst verboten“, sagt Magal. Dabei habe sie selbst oft Zweifel, ob Wagner in Israel gespielt werden solle. „Aber ich will diese überfällige Diskussion auf die Bühne bringen.“ In München ist ihr das gelungen - vielleicht bald auch in Israel.