Letzte Reise der Queen Harlem Gospel Singers auf Abschiedstour

New York (dpa) - Anthony Evans beißt eben noch von seinem Sandwich ab, dann hebt er eine Hand und groovt sich mit der anderen ein paar Takte lang auf den Tasten ein. „Bist Du bereit, Queen?“, fragt der Keyboarder.

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Die gern als Gospel-Königin gefeierte Sängerin hat im Proberaum der New Yorker Funkadelic Studios Platz genommen und nickt. Und dann legen die Harlem Gospel Singers samt Band los und präsentieren eine Soul-Version von „Walking in Memphis“, dass die Zuhörer im Raum eine Gänsehaut bekommen.

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Von Wehmut ist im Kreis der heiteren Truppe nichts zu spüren. Dabei gäbe es Anlass genug: Mit einem Konzert im dänischen Haderslev beginnen Queen Esther Marrow und die Gospel Singers am Donnerstag ihre letzte Tour, die sie bis Anfang Februar durch mehr als 20 deutsche Städte sowie nach Österreich, Luxemburg und die Schweiz führen wird. In bald 25 Jahren brachten sie ihren Sound auf Bühnen weltweit und folgten Einladungen des Vatikans und des Weißen Hauses. Marrow sang vor Papst Johannes Paul II., den US-Präsidenten Ronald Reagan, George Bush senior und Bill Clinton, den britischen Royals.

„Ich singe, so lange ich denken kann“, erzählt Marrow der Deutschen Presse-Agentur in einer Probenpause. Schon im Alter von etwa sieben Jahren habe sie auf dem Weg zum Briefkasten in ihrem Heimatort Newport News in Virgina immer gesungen. „Ich hatte große Lungen, starke Lungen“, sagt Marrow, die auch mit bürgerlichem Vornamen Queen Esther heißt. Dass sie in einer Karriere als Sängerin von Jazz-, Soul- und Gospel-Stücken eines Tages Millionen erreichen würde, hätte sie damals selbst nicht gedacht - bis zum Treffen mit Duke Ellington.

22 Jahre war Marrow alt, als ihr über drei Ecken ein Vorsingen beim Jazz-Virtuosen möglich gemacht wurde. „Aus Newport News, Virginia, stammend wusste ich von Duke Ellington, aber ich war zu jung, um zu wissen, wie groß er wirklich war.“ Der berühmte Komponist und Pianist lud sie nach Lake Tahoe in Kalifornien ein, um sich mit dem Stück „Solitude“ aufzuwärmen - und dann, 1965, trat sie mit Bubikopf-Frisur und weißem Kleid in einer Kathedrale in San Francisco ans Mikrofon.

Von dieser Entdeckung an hat Marrow die Bühne mit den ganz Großen geteilt: Ella Fitzgerald, B.B. King, Ray Charles, Thelonious Monk, Chick Corea, Harry Belafonte, Bob Dylan. Sie schloss sich der schwarzen Bürgerrechtsbewegung an und trat in der „World Crusade“ des Baptistenpredigers Martin Luther King auf, in Chicago traf sie ihr Idol Mahalia Jackson, deren Musik sie bis heute prägt. „Ich bin so sehr gewachsen, ich habe so viel von anderen gelernt“, sagt Marrow.

Schluss ist nach der Abschieds-Tour noch nicht. Marrow wolle ein Buch schreiben und plane Solo-Auftritte, sagt ihre langjährige Managerin Roseanne Kirk. In New York wird sie sicher noch zu sehen sein, wo Jazz und Soul in Clubs wie Blue Note und Birdland bis heute gelebt werden. Aber Marrow vermisst heute den Groove von damals ein wenig: „Die Straßen platzten vor Musik. East Side, West Side, Uptown und Harlem, unten im Village - man hatte eine große Auswahl. Dann kam Disco, Studio 54 und solche Läden.“ In Harlem, wo afroamerikanische Musik in den 1930ern eine Renaissance erlebte, sei der Geist von damals aber noch spürbar. „Die Wurzeln sind immer noch da.“

Und dann geht sie mit ruhigen Schritten zurück in den Proberaum, wo die Musiker an Schlagzeug, Gitarre, Bassgitarre und Saxofon an ihrem Repertoire feilen. „Es muss aus dem Bauch kommen. Das ist Gospel“, sagt Keyboarder Evans, als einer der Vokalisten mit einer Passage ein wenig Probleme hat. „Es ist ein Gefühl, und je öfter wir es machen, desto besser wird es werden.“ Marrow, die während der Stücke immer wieder wippt, lacht und in spontane Gesangs-Improvisationen ausbricht, sagt über das Singen: „Du musst es lieben. Es ist ein Teil Deines Lebens. Du lebst es, Du atmest es.“

Auf ihrer am 15. Dezember beginnenden Tour durch Europa geben Queen Esther Marrow und die Harlem Gospel Singer zwischen dem 20. Dezember und dem 1. Februar 2017 unter anderem Konzerte in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Köln, München und Stuttgart.