„I Capuleti e i Montecchi“ in München bejubelt
München (dpa) - Zuerst schien es eine Katastrophe für die Bayerische Staatsoper zu werden: Einen Tag vor der Premiere von Vincenzo Bellinis selten gespielter Oper „I Capuleti e i Montecchi“ sagte die weltbekannte bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova wegen einer Lungenentzündung ab.
Statt einen anderen Star zu suchen, gab Intendant Nikolaus Bachler dem Nachwuchs eine Chance - mit Erfolg. Die erst 24 Jahre alte Irin Tara Erraught wurde am Sonntagabend für ihre Leistung als „Romeo“ vom Publikum gefeiert.
Es war ein Premierenabend, der von musikalischer und szenischer Zurückhaltung geprägt war. Die Begeisterung des Münchner Publikums galt besonders einer sehr erleichterten Tara Erraught, die die Partie in nur fünf Tagen gelernt hatte, und ihrer Partnerin Eri Nakamura (Giulietta). Der franko-kanadische Dirigent Yves Abel sowie das Regieteam um die Franzosen Vincent Boussard und Modeschöpfer Christian Lacroix wurden ebenfalls mit viel Applaus bedacht.
Da störte es auch nicht, dass Erraught und Nakamura im zweiten Teil der Oper eher Hänsel und Gretel ähnelten als Romeo und Julia. Dies lag zum einen an der Regie, die weit davon entfernt war, Romeo und Julia als den Inbegriff eines Liebespaares zu zeigen. Zum anderen war das der zurückhaltenden und etwas kindlichen Ausstrahlung sowie den noch jungen zarten Stimmen der beiden Sängerinnen geschuldet.
Das karge Bühnenbild bestand nur aus ein paar aufgehängten Sätteln, einer Treppe, sowie einigen Umrissen von Pferden und Schlachtengemälden im Hintergrund. Bewundern durfte man zu Beginn des zweiten Teils ein Defilee von Statistinnen in prächtigen Kleidern des Modeschöpfers Christian Lacroix, das zwar dramaturgisch keinen Sinn ergab, aber zumindest recht beeindruckend aussah.
Vincent Boussards Inszenierung wollte weder schockieren noch provozieren. Der Chor - in Kostümen des 19. Jahrhunderts mit Frack mit Zylinder - durfte brav nach vorne singen und wurde durch keinerlei Regieanweisungen abgelenkt. Auch zwischen den Solisten fand wenig direkte Interaktion statt, eine Personenregie suchte man vergebens.
Yves Abel, der erstmals an der Bayerischen Staatsoper dirigierte, war den Sängern ein sehr umsichtiger Begleiter, der viel Wert auf musikalische Details legte und das Orchester, zu dessen favorisierten Komponisten Bellini nicht gehört, sehr zurücknahm. Das Filigrane und Intime seines Dirigates passte gut zum pastellfarbenen Bühnenbild sowie den fast zerbrechlich wirkenden Hauptdarstellerinnen. So waren alle Komponenten der Aufführung zwar sehr stimmig, der Abend wirkte aber zeitweise ein wenig gebremst.
Das Publikum - erleichtert ob eines ästhetischen, wenn auch regielosen Abends - bejubelte Tara Erraught und dankte den restlichen Mitwirkenden mit viel Applaus. „I Capuleti e i Montecchi“, frei nach William Shakespeares „Romeo und Julia“, war seit 1834 erstmals wieder an der Bayerischen Staatsoper zu hören.