Ina Müller: Wie Kuscheltuch und Rheumadecke

Das Konzertalbum „48 Live“ ist Ina Müllers neuster Streich. Wir haben mit ihr über Beziehungen, Alter und Tod gesprochen.

Foto: Sandra Ludewig/105Music

Düsseldorf. Ina Müllers rauchig-soulige Stimme wärmt wie Kuscheltuch und Rheumadecke. In ihren Liedern über die Generation 40 plus stellt die norddeutsche Sängerin, Kabarettistin und Fernsehmoderatorin mit der frechen Klappe die Stereotypen über Frau und Mann auf den Kopf. Inzwischen arbeitet die 49-Jährige daran, ihr bewegtes Berufsleben und das private Glück mit ihrem Kollegen Johannes Oerding, 33, unter einen Hut zu bekommen.

Frau Müller, schreiben Sie gern über Themen, mit denen sich jeder identifizieren kann?
Ina Müller:
Nein. Ich schreibe über Themen, die mit mir zu tun haben und die mich interessieren. Das Problem ist, das ich nach all den Jahren schon über so viele Themen und Modetrends geschrieben und gesungen habe. Nur Liebe geht immer. Eigentlich müsste ich jetzt mal ein Jahr Pause machen, um wieder etwas zu erleben, worüber ich schreiben kann.

Ihre Beziehungsgeschichten sind oft beißend sarkastisch gehalten. Singen Sie stets über eigene Erfahrungen?
Müller:
Ja, das kann man wohl so sagen. An dem Tag, an dem wir das Lied „Déjà Vu“ fertig hatten, standen direkt wieder zwei Promi-Paare in der Zeitung, die sich im verflixten siebten Jahr getrennt haben. Der Song klingt ein bisschen ernüchternd, aber ich selber kenne das auch: Man lernt einen Mann kennen, der ist auch irgendwie nett. Aber hat man überhaupt Lust, wieder von vorne anzufangen? Seine Wohnung, meine Wohnung, seine Marotten, meine Marotten, die komplette Lebensgeschichte. Und wenn man alles kennt und voneinander weiß, trennt man sich. Das klingt sehr unromantisch, aber die Statistik gibt mir Recht.

Ihr Freund, Johannes Oerding, ist wie Sie Sänger und Songschreiber. Bot sich da eine Zusammenarbeit einfach an?
Müller:
In diesem Ausmaß war das überhaupt nicht geplant. Aber es hat sofort funktioniert. Am Ende haben wir tatsächlich die Musik für alle Songs auf „48“ zusammen geschrieben. Wir sind losgefahren und haben einen Apparat gekauft, der sieht aus wie ein Keyboard. Da ist sogar ein Schlagzeug drin. Und man kann das Klavier hoch und runter stimmen. Dann haben wir nächtelang zusammen in der Küche gesessen und die Texte vertont, die Frank Ramond und ich zuvor geschrieben hatten. Es war eine extrem erfüllende musikalische Arbeit.

In der Musik steckt mehr Pop drin als bisher. Eine bewusste Entscheidung?
Müller:
Ja, ich wollte mit diesem Album noch musikalischer werden. Ein bisschen mehr Röhre, ein bisschen lauter, ein bisschen anders. Ich wollte auch mal Lieder auf dem Album haben, die etwas versöhnlicher sind. Zum Beispiel bei „Wenn du nicht da bist“, da haue ich dann im Refrain nicht drauf, sondern gestehe meine Liebe. Geht auch.

Und diese Versöhnlichkeit hat damit zu tun, dass Sie jetzt in einer glücklichen Beziehung leben?
Müller:
Ein Album spiegelt doch immer wieder, wie man sich gerade so fühlt. Aber ich habe nicht alles selbst erlebt was ich singe, sonst wäre ich wohl nicht mehr am Leben oder in Therapie. Ich wollte auf dieser Platte ein bisschen mehr den Gesang zeigen, den man live von mir gewohnt ist.

Haben Sie darauf geachtet, dass Ihre Versöhnlichkeit nicht so weit geht, dass am Ende ein braves Ina-Müller-Album herauskommt?
Müller:
Deswegen sind ja auch Songs wie „Déjà Vu“, „Spieglein, Spieglein“ oder „Teenager“ dabei. Aber eine Ballade wie „Nach Hause“ wollte ich mir unbedingt auch gönnen. Bei dem Song musste ich anfangs immer weinen. Es ist toll, ihn im Tourbus auf Kopfhörer zu hören.

Wirklich aus der Reihe fällt „Pläne“. Darin besingen Sie den Tod eines Freundes.
Müller:
Es ist gar nicht so leicht, solch einen Song auf einem Pop-Album zu verpacken. Mir war es wichtig, dass es nicht die wahnsinnig traurige Nummer 13 ist. Deswegen ist sie mittig eingebettet, um das Thema nicht zu verkitschen. So hat es eine gute, hörbare Traurigkeit. Man denkt immer, der Tod kommt, wenn man alt ist. Aber es sterben jetzt schon Freunde um mich herum.

Ist das Singen Ihre Art, mit Tod und Trauer umzugehen?
Müller:
Das Gefühl der Trauer ist doch so stark, dass man natürlich auf die Idee kommt, die Gedanken festzuhalten und zu erklären. Der eine schreibt drüber, der andere macht einen Film und ich singe drüber. Tod ist immer noch ein Tabuthema, das nervt mich.

Sie sind erst 49. Was interessiert Sie am Thema Tod?
Müller:
Vor allem habe ich keine Angst, darüber zu reden. Ich frage auch andere, wie sie sich den Tod vorstellen und wie sich das Sterben wohl anfühlt. Mich interessiert, wie andere Menschen darüber denken. Manchmal stehe ich im Badezimmer und denke: Wenn du jetzt tot umfallen würdest, dann würde alles so weiterlaufen — sogar die Dusche. Und ich wäre später irgendwo unter der Erde und mir wäre wahrscheinlich kalt.

Wie soll man sich einmal an Sie erinnern?
Müller:
Ich hoffe, dass ich bei Wikipedia zu finden bin. Dass man die nächsten 100 Jahre etwas zu meinem Namen findet, wenn man ihn googelt. Das Einzige, was am Ende ja von einem bleibt, sind die Erinnerungen. Aber auch die verblassen mit der Zeit. Deshalb Wikipedia. Ansonsten halte ich mich nicht für so wichtig. Ich bin Ehrenbürgerin von meinem Heimatdorf Köhlen. Eine Bank mit so einem Messingschildchen wäre bestimmt noch drin. Und ein Bild im Schellfischposten.