Interview mit Unheilig-Sänger Graf: „Privat erkennt man mich nicht“
Der Graf, Sänger der Band Unheilig, über Tod und Eitelkeit.
<p>Herr Graf, Sie haben in kleinen Clubs angefangen und waren bei der letzten Tour in den großen Hallen unterwegs. Jetzt steht am 21. Juli der Auftritt im Kölner Stadion an. Was empfinden Sie als Künstler dabei?
Graf: Ich habe immer davon geträumt, in großen Hallen und Stadien zu spielen. Ich hätte aber nie daran geglaubt, dass es mal diese Größenordnung annehmen wird. Als ich vor acht Jahren vor 1000 Leuten gespielt habe, war ich total nervös. Da war es unvorstellbar vor 15000 in der Kölner Arena zu spielen. Und jetzt im Stadion haben wir 40000 Fans. Da wird es einem schon mulmig, wenn man daran denkt.
Wie verändert diese Größenordnung Ihren Auftritt und Ihre Musik?
Graf: Gar nicht! Wichtig ist es, auf dem Boden zu bleiben und nicht irgendwelche Experimente zu machen. Die Menschen werden die gleichen sein, es sind nur mehr. Wir versuchen eine gute Show zu machen, dabei steht der Mensch aber immer im Vordergrund. Das fängt schon beim Kinderland am Eingang an und geht beim großen Bereich für Familien weiter. Dazu kommen Rollstuhl-Podeste, Behindertentoiletten und ein Laufsteg, über den ich mitten im Publikum stehe. Wir sprechen die ganze Familie zwischen acht und 80 an.
Damit sind Sie ein sehr kundenorientierter Künstler?
Graf: Ich sehe das eher als Fanorientiert. Bei unseren Konzerten herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, die schon anfängt wenn man in die Halle rein kommt. Das macht sonst kein anderer und darüber habe ich mich immer sehr geärgert. Dazu gehören auch Sauberkeit und Sicherheit bei den Konzerten oder eine technische Anlage, die zur Größe der Halle passt. Deshalb organisieren wir unsere Konzerte immer komplett selbst.
Wie wichtig ist Ihnen der enge Kontakt zu den Fans?
Graf: In den vergangenen zwei Jahren war das nicht immer ganz einfach das zu organisieren. Das gilt beispielsweise für die Autogrammstunden, die wir inzwischen von den Konzerten getrennt haben. Die Fans müssen die Chance haben, mich zu umarmen, mich zu drücken und sich mit mir zu unterhalten. Ich freue mich über jeden, der kommt.
Sind Sie ein positiv denkender Mensch?
Graf: Ja, ich versuche immer und in allem das Positive zu sehen. Manchmal fällt es schwer, gerade wenn man in Krankenhäuser oder Hospize geht. Ich bin aber auch ein Mensch, der offen trauern kann. Man darf auch mal negativ drauf sein, solange man keinem anderen damit schadet. Negative Dinge müssen verarbeitet werden, um danach wieder positiv nach vorne blicken zu können.
Wie war die Erfahrung, als Musiker totkranke Fans zu besuchen?
Graf: Das waren Anfragen von Hospizen, in denen sich Fans wünschen, mich vor ihrem Tod noch mal zu treffen. Ich habe darüber nachdenken müssen, weil ich mir erst mal darüber klar werden wollte, was mich da erwartet. Dann habe ich mich entschieden, das zu machen und ich mache es immer noch. Das sind Menschen, die wissen, dass sie bald sterben werden, darunter auch Jugendliche. Den Familien ist es wichtig, noch den einen Wunsch erfüllen zu können. Wenn man sich daneben setzt, wird man Teil der Familie, die sich von einem Menschen verabschiedet. Das ist sehr emotional, aber auch sehr wertvoll. Wenn man so etwas erlebt ordnet sich das eigene Weltbild völlig neu.
Wie gehen Sie selbst mit dem Tod um?
Graf: Der Tod war mir immer sehr bewusst. Als ich meinen Freund 2008 bei dessen Tod begleitet habe, war das auch nicht einfach. Das war noch emotionaler. Wenn man dem Tod ins Auge blickt und das langsame Sterben begleitet, das prägt einen Menschen sehr. Der Umgang mit dem Tod wird natürlicher.
Wie groß war der Erfolgsdruck beim neuen Album?
Graf: Der Erfolgsdruck ist da, wenn alles fertig ist und man nichts mehr machen kann. Dann muss man warten was kommt und ich hasse es zu warten. Aber die Fans draußen entscheiden in dieser Phase, ob es gut oder ob es schlecht ist. Danach richtet sich für mich der Erfolg und nicht nach den Verkaufszahlen des Albums. Ein Erfolgsdruck bei der Arbeit für die „Lichter der Stadt“ war nie da. Das ist ein musikalischer Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre, eine Art musikalisches Tagebuch. Ich habe mir alles von der Seele geschrieben.
Sie sind ein Mensch der auf der Bühne immer perfekt gekleidet ist. Sind Sie eitel?
Graf: Ich bin total eitel und frage mich beispielsweise immer, ob ich zu dick bin. Die Kleidung muss perfekt sitzen und gut aussehen. Ich schaue oft in den Spiegel, um zu überprüfen, ob alles passt.
Sieht man Sie auch mal mit Jeans und Turnschuhen?
Graf: Privat auf jeden Fall. Da ziehe ich den Anzug nicht an, der gehört zum Grafen. Da habe ich eine Brille auf, trage bequeme Klamotten und bin auch mal nicht rasiert. Man erkennt mich nicht.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Grafen und dem Privatmenschen?
Graf: Der einzige Unterschied ist das Aussehen. Der Anzug ist das Signal für die Menschen, dass ich als Graf unterwegs bin und man mit mir Fotos machen kann. Wenn ich privat unterwegs bin, lasse ich mich nicht mit anderen Menschen fotografieren. Da entschuldige ich mich dann ganz lieb und freundlich. Ich trenne beide Welten.