„Investigativ wie ein Detektiv“: Udo Lindenberg

Hamburg (dpa) - Diese Abstinenz hat Udo Lindenberg acht Jahre lang durchgehalten: 2008 feierte der Rockstar mit „Stark wie Zwei“ sein Erfolgs-Comeback, landete den ersten Nummer-eins-Hit seiner langen Karriere, tourte durch große Hallen, brachte ein eigenes Musical in Berlin auf die Bühne und große Rockrevuen in Stadien.

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Neuen Stoff aus dem Studio aber lieferte der Musiker kaum. Auf dem „Rock-Olymp“ sei die Zeit knapp geworden, sagt Lindenberg. Doch just bevor der Panikrocker im Mai dieses Jahres 70 Jahre alt wird - und damit ein Alter erreicht, das locker 20 Jahre über dem früher von ihm überhaupt erwarteten liegt, wie er sagt - will er es krachen lassen. Sein neues Album „Stärker als die Zeit“ erscheint im April, das erste Lied daraus - die Single „Durch die schweren Zeiten“ - an diesem Freitag.

Nach Alkoholabstürzen und musikalischen Durststrecken, oft nur noch belächelt bis bemitleidet, dann noch einmal gelobt und gefeiert zurückzukehren - das habe den Druck und die Zahl der schlaflosen Nächte vor einem neuen Album ziemlich erhöht, sagt der Sänger. „Da geht es mir wie einem Stabhochspringer, der muss auch immer wieder mindestens genauso hoch auf der Messlatte, wenn nicht noch höher.“

Doch irgendwann habe er gemerkt: „Okay, ich bin jetzt ready für 'ne neue Platte.“ Themen und Ideen für neue Songs habe er gesucht - „investigativ wie ein ordentlicher Detektiv“. In Hamburg, wo Lindenberg Dauerbewohner des Hotels „Atlantic“ ist, in Berlin, seinem zweiten Zuhause, und auf Reisen, zumeist nach Los Angeles, sei er fündig geworden. Zusammengearbeitet habe er mit anderen Musikern, darunter häufiger die Söhne ehemaliger Kollegen.

„Durch die schweren Zeiten“ etwa entstand unter anderem gemeinsam mit dem Sohn des Liedermachers Rolf Zuckowski, Alexander. Einen „sehr persönlichen Song“ und einen „Kumpel“ nennt Lindenberg, auf dessen Konto inzwischen 600 Lieder gehen, die erste Auskopplung. „Es geht um Freundschaft - für mich das höchste Gut. Darum, dass dir jemand zuverlässig zur Seite steht, auch wenn die Zeiten mal schwieriger werden, es rutschig wird.“

Solche Zeiten seien ihm ja bestens vertraut, „wenn ich unterm Kneipentisch schwer umnachtet meine Texte auf Bierdeckel gekritzelt habe, nur noch den Highligen Geist an meiner Seite“, sagt er. „Ich kenne das Leben von oben bis unten, ich kenn die Unterwelt, ich kenn die Oberwelt.“ Eine Hymne auf „Freundschaft, Zusammenhalt und Komplizenschaft“ sei das Lied. Nach dem Motto: „Gemeinsam kriegen wir das gejuckt.“

Über die weiteren Titel auf seiner neuen Platte, die teilweise auch in den legendären Abbey Road Studios in London aufgenommen wurde, will Lindenberg noch nicht viel erzählen. „Wir sind auf den letzten Metern der Fertigstellung“, sagt er. Das große Thema des Albums sei auch wirklich groß: War „Stark wie Zwei“ dem Überleben gewidmet, soll es diesmal um nicht weniger als die „Unsterblichkeit“ gehen. Früher habe er geglaubt, „als ordentlicher Rockstar ist spätestens mit 50 Feierabend“. „Doch irgendwann dachte ich schon, es wäre doch ein bisschen schade drum, wenn die Nachtigall jetzt verstummt. Ist doch ein sehr schöner, privilegierter Beruf, den ich da habe.“

Dass er am 17. Mai 70 wird und trotz einst „diverser Wirkstoffe und dem ganzen Whisky-Gegurgel“ immer noch auftritt, ist für ihn ein „medizinisch-biologisches Wunder“. Vermutlich unterliege er ohnehin nicht der irdischen Zeitzählung, sagt der Sänger, „bin wohl mal von einem Meteoriten über Gronau runtergefallen, direkt ins Doppelkornfeld.“ Kurz nach dem 70. will er zu den letzten Shows seiner dreijährigen Stadion-Trilogie aufbrechen.

„Was danach kommt? Abenteuer gehen weiter, dann werd ich wieder hinter die Horizonte gucken.“ Eine Abschiedstour käme für ihn nie infrage: „Mit neun Jahren habe ich angefangen mit der Musik und für mich war das immer ein klares Ding. Ich hatte keinen Plan B. Ich werde Musik machen, bis ich eines Tages auf der Bühne sterbe - in den Armen einer schönen Frau oder eines schönen Mannes.“