Jahrgangsbester: Niels Frevert live in Berlin

Berlin (dpa) - Wenn es dieses Jahr ein deutsches Pop-Album gibt, auf das sich (zumindest fast) alle einigen können, dann dürfte es Niels Freverts „Paradies der gefälschten Dinge“ sein. Auch live ist dieser hochsensible Hamburger Song-Poet eine Bank.

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Im gut gefüllten Berliner „Lido“ wird Frevert am Donnerstagabend nicht nur für seine im Spätsommer bei Herbert Grönemeyers Grönland-Label erschienene neue Platte gefeiert. Sondern auch für eine konsequent qualitätsorientierte Karriere, die vor gut zwei Dekaden mit der Band Nationalgalerie begann und nun mit dem Charterfolg von „Paradies...“ ihren vorläufigen Höhepunkt fand.

Der umjubelte Auftritt mit einer fantastisch aufgelegten Band fasst die Entwicklung des mittlerweile 47-Jährigen zusammen - vom noch etwas spröden Deutschrock der Anfangszeit zum aktuellen Liedermacher-Sound mit orchestralem Ansatz. Ältere Solostücke von „Seltsam öffne Dich“ (2003) oder „Du kannst mich an der Ecke rauslassen“ (2008) tauchen auf der Setlist ebenso auf wie neuere Songs, bei denen im Konzert zwar die wunderschönen Streicher- und Bläser-Arrangements fehlen, aber gewiss nicht die Frevert-typische Herzenswärme, verschmitzte Klugheit und Melancholie.

Das Zusammenspiel des Quartetts neben und hinter Frevert ist von selten zu hörender Brillanz, der kristallklare Sound im Lido hebt all die delikaten Details zusätzlich hervor. Der E-Gitarrist Heiko Fischer ergänzt und kommentiert mit einer Vielzahl von Klangfarben zwischen Jazz, Folk und Blues die Akustikklampfen-Künste seines Frontmannes. Im Hintergrund streut der Pianist Stefan Will dezente Soli ein, die bewährte Rhythmmusgruppe Stephan Gade (Bass) und Tim Lorenz (Schlagzeug) verrichtet ihre Arbeit unaufgeregt-effektiv und ausgesprochen gut gelaunt.

Niels Frevert will spürbar weg vom Image des „Kritikerlieblings“ - dieser Begriff habe „einen komischen Beigeschmack, wenn er ausschließt, dass man auch -ein Publikum hat“, sagte er kürzlich im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dass der Norddeutsche ein wachsendes, treu ergebenes Publikum findet, konnte er von der „Lido“-Bühne aus bestaunen. „Das sieht sehr gut aus von hier“, rief er zwischendurch angesichts der Ovationen.

„Für mich geht es in erster Linie darum, Platten in den Laden zu stellen, die mir selbst gefallen“, sagte Frevert außerdem im dpa-Interview. Und auch darum, Konzerte zu geben, die ihre Zuhörer glücklich machen, könnte man wohl ergänzen. Mit dem besten Deutschpop-Album und einer der schönsten Live-Shows des Jahrgangs 2014 hat Frevert sein Soll mehr als erfüllt.

Weitere Konzerte 2014: 12.12. Hamburg, Mojo; 13.12. Flensburg, Volksbad