Jazz ist seine große Liebe: Bill Ramsey wird 85

Hamburg (dpa) - „Willst du was Lustiges machen oder Rock'n'Roll?“ Bill Ramsey erinnert sich noch heute an jene Frage, die ihm der Produzent seiner ersten Platte damals, vor fast 60 Jahren, stellte.

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Der junge US-Amerikaner, der als Jazzsänger in Frankfurter Army-Clubs auf der Bühne stand, entschied sich für das „Lustige“ - und traf den Nerv der Deutschen. Sein „Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer“, die „Zuckerpuppe“ (aus der Bauchtanztruppe), „Pigalle“ oder „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ waren Ohrwürmer. Mit mindestens einem jener Hits schafft der Musiker, der am Sonntag (17. April) 85 Jahre alt wird, es nach wie vor regelmäßig in Bestenlisten des Schlagers.

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„Bereut habe ich diese Lieder nie“, sagt Ramsey, „ganz im Gegenteil.“ Auch wenn er einige Jahre später weg vom Image des „Schlagerclowns“ wollte. „Ich wollte mein Image erweitern. Dass mir das damals zum Teil so ausgelegt wurde, als würde ich mich für diese Lieder schämen, hat mich wirklich geärgert“, sagt er mit lauter Stimme und scheint sich fast wieder so zu ärgern wie in jener Zeit, Mitte der 60er Jahre. Nur sitzt der Mann mit dem charmanten Staaten-Akzent diesmal in seiner Hamburger Wohnung mit traumhaften Blick auf die Elbe und überlegt gerade mit seiner Frau Petra, mit welchem Stock er wenige Tage später auf die Bühne gehen soll.

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Es ist ein Konzert zu seinem Geburtstag, das kurz vor dem eigentlichen Ehrentag auf die Bühne kommt. Dass seine Kräfte beim Gehen ein bisschen schwächer geworden sind, vergisst das Publikum an jenem Abend im St. Pauli Theater dann aber sofort, als er anfängt zu singen: mit jener unverkennbaren, bluesigen Stimme, die im Laufe der Jahrzehnte kaum an Soul und Energie eingebüßt zu haben scheint. Genussvoll schließt er die Augen, wippt mit seinem Knie im Takt und fühlt den Groove des Quartetts, das wahrlich den Geist der Musik aus den Erinnerungen an verrauchte Jazzkeller in New Orleans oder Chicago auf der Bühne beschwört. Alles wirkt kraftvoll und energiegeladen.

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Davon zeugt auch die kürzlich erschienene Doppel-CD „My Words“ (Bear Family), die einen perfekten Überblick über das Jazz-Schaffen von Bill Ramsey gibt. 31 Titel aus den Jahren 1970 bis 2016 (zwei brandneue Songs), mit denen sich Bill Ramsey auch als Texter und Komponist nachhaltig in Erinnerung bringt. Mimi und die Mausefalle sind nicht dabei.

Dem Jazz galt schon immer seine große Liebe. Bereits als Schüler hatte sich der im US-Staat Ohio geborene Ramsey sein Taschengeld als Jazzsänger verdient, auch als Soziologie- und Wirtschaftsstudent an der Yale-Universität in New Haven blieb er ihm treu. 1951 kam er zur US Air Force und im Sommer darauf als GI nach Deutschland - seine allerersten deutschen Freunde traf er im Frankfurter „Jazzkeller“. In jenen Jahren lernte er Kollegen wie Paul Kuhn und James Last kennen, und eben seinen Freund und Produzenten Heinz Gietz, der ihn zu Mimi und Mausefalle brachte. „Das waren dufte Titel, die vielen Menschen Freude gemacht haben“, sagt Ramsey.

Sein komödiantisches Talent bescherte ihm auch zahlreiche Film- und Fernsehrollen sowie TV- und Hörfunk-Moderationen. Noch immer moderiert er regelmäßig für den Hessischen Rundfunk seine „Swingtime“ (hr2). Auch Konzerte gibt er nach wie vor. Das Anstrengende daran seien meistens nur die Vorbereitungen und die Reisen. „Aber auf der Bühne, da werde ich nicht so schnell müde“, sagt er und lacht. Seine Managerin ist praktischerweise seine vierte Ehefrau Petra. Seit mehr als drei Jahrzehnten ist das Paar verheiratet, stöbert gern gemeinsam auf Flohmärkten herum, „weil sie das so liebt“, erzählt Ramsey. „Entsetzlichen Kitsch“ hätten sie da schon mitgenommen.

Er selbst sei ein „Archäologie-Freak“, begeistere sich für Kunstgeschichte - durchaus Alternativen zur Musikerkarriere wären das für ihn gewesen, erzählt er. Seine Haare sind schon lange weiß, seine Stimme ist kraftvoll geblieben. „Das ist auch mein größter Wunsch“, sagt er, „dass mit der Stimme alles in Ordnung bleibt.“ So lange damit alles stimme, wolle er weitermachen - „und noch ist alles prima“. Jazz gehöre weiterhin an jedem Tag zu seinen Leben - so wie es schon war, bevor er das „Lustige“ kam.