Joan Baez: First Lady der Friedenssänger
Joan Baez wurde gleichermaßen durch ihre Stimme wie durch ihr Engagement berühmt. Am Sonntag wird sie 70 Jahre alt.
Woodside/Kalifornien. 40 Jahre lang war Joan Baez die First Lady der Friedens- und Menschenrechtsbewegung. Sie engagierte sich unter anderem in Chile, Argentinien, Kambodscha und Vietnam, kämpfte für Gleichberechtigung und die Umwelt.
Heute mischt sich Baez nur noch selten unter Demonstranten. Aber die alten Titel, „The Night They Drove Old Dixie Down“, „Forever Young“, „Farewell, Angelina“ und „Oh Happy Day“, singt sie weiter in aller Welt. Am Sonntag feiert die Ikone der 60er Jahre ihren 70. Geburtstag.
Über 40 Alben hat die zierliche Frau mit dem kristallklaren Sopran und dem vertrauten Vibrato in den USA herausgebracht, seit sie sich im Jahr 1959 in Newport (US-Bundesstaat Rhode Island) mit „Virgin Mary Had One Son“ erstmals vor ein Festivalpublikum getraut hatte. Der Auftritt brachte ihr außer dem Spitznamen „Barefoot Madonna“ (barfüßige Madonna) ihren ersten größeren Plattenvertrag ein.
In den 60er Jahren galt die Tochter eines mexikanischen Physikers und einer Schottin als „die Muse der Flower-Power“. Sie verhalf Bob Dylan zur Popularität, aus dem Bühnen-Duo wurde bald auch privat ein Paar. Joan Baez erinnert sich in dem Dokumentarfilm von Mary Wharton an die nicht ganz einfache Beziehung: „Ich wollte, dass er sich auch politisch mit uns engagiert. Aber er wollte vor allem seine Musik machen.“
Joan Baez sang für die Einsamen und Entrechteten der Welt, wider den Krieg und für die Liebe. Beim „Civil Rights March“ in Washington marschierte sie 1963 neben ihrem Vorbild Martin Luther King, 1979 gründete sie eine Menschenrechtsorganisation, während der ersten „Intifada“ trat sie im Westjordanland und im Gaza-Streifen auf, 1989 unterstützte sie die „Samtene Revolution“ in Prag.
Im Gegenzug wurde Joan Baez von der US-Regierung zeitweise als Sicherheitsrisiko eingestuft und landete 45 Tage im Gefängnis, ihre Platten wurden aus den Läden verbannt. Doch das änderte nichts an ihrer Haltung.
Dass die nach außen so stark wirkende Kämpferin über Jahre psychisch angeschlagen war, wusste nur ihre jüngere Schwester Mimi. Joan Baez litt an schwerem Lampenfieber, unterbrach manchmal angstgepeinigt ein Konzert, um im Waschraum zu weinen und zur Ruhe zu kommen.
Zudem plagten sie Phobien, so dass sie vor lauter Panik manchmal kaum die Wohnung verlassen konnte. In den 70er Jahren ging sie viel auf Tournee und absolvierte mehrere Therapien. Neuen Schwung in ihr Leben brachten aber erst die 90er Jahre. Sie nahm Gesangsstunden — ihre Stimme ist seitdem ein wenig tiefer und wärmer — und engagierte erstmals einen Manager.
Und sie suchte Zuflucht in der Natur: Mit ihrer Mutter, Sohn, Schwiegertochter und Enkelin lebt sie im kalifornischen Woodside zurückgezogen im Grünen. Sie bewohnt auf dem Grundstück ein Baumhaus, in dem sie meditiert und schreibt.
Inzwischen fühlt sie sich geerdet und entspannt. Der neuen Joan Baez ist „die Musik wichtiger als die Botschaft“ — allerdings hat sie es nie lange ohne politische Äußerung ausgehalten. Nach Folksongs, Balladen und Blues sowie Abstechern in die Country- und Popmusik hat sie nun zu rocken begonnen. Ihr jüngstes Album, „The Day After Tomorrow“, gab sie 2008 heraus.
Im Rückblick auf die 60er Jahre meint Baez, dass sie längst nicht so toll waren, wie manche Zeitgenossen meinen. „Ich war damals ein Freak, Bob Dylan war ein Freak. Alle anderen schwammen im Hauptstrom“, sagt Baez. „Vieles, was wir taten, hört sich nur in der nachträglichen Verklärung toll an.“
Bis heute nimmt die kämpferische Amerikanerin kein Blatt vor den Mund. Ihren Landsleuten warf sie im Zusammenhang mit der Wahl von George W. Bush mehrfach vor, „ihr Hirn vollständig verloren“ zu haben. Arnold Schwarzenegger war als Gouverneur von Kalifornien für sie nur „eine Witzfigur“. Im Herbst 2008 sagte sie, sie könne nicht anders, als Barack Obama zu ihrem Favoriten für das Weiße Haus zu erklären