90 Minuten mit Bob Dylan

Rocklegende Bob Dylan zeigt bei einem Konzert in Krefeld, dass er nichts von seiner Faszination verloren hat. Und noch immer ist der "Wuschelkopf" das krasse Gegenteil eines Musikstars.

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Bob Dylan in Krefeld - und ganz NRW war zu Gast, selbst Belgier und Niederländer. Die 4500 Zuschauer kamen aus nah und fern, abzulesen an den Kennzeichen der Blechlawine, die zum König-Palast anrollte. Darunter waren natürlich viele Alt-68er, die ihr Idol aus Jugendzeiten noch einmal live erleben wollten. Schließlich prägte der heute 76-jährige Folk-, Rock- und Pop-Poet die Generation der Nachkriegszeit mit seinen lyrischen Texten, wofür er den Nobelpreis erhielt.

Er gilt als einer der einflussreichsten Musiker aller Zeiten. Wer aus musikalischen Gründen gekommen war, erlebte ein grandioses Konzert, denn Dylan hat eine fünfköpfige Band aus Top-Musikern um sich geschart, deren Zusammenspiel einzigartig ist.

Ansonsten war der Wuschelkopf schon immer introvertiert, unnahbar und das krasse Gegenteil eines Musikstars, der gerne mit seinem Publikum interagiert und ein Konzert zum gemeinsamen Erlebnis macht. Wer seine Macken kennt, war weniger enttäuscht. Die Bühne war in schummriges Licht getaucht, die Musiker, in Schwarz gekleidet mit etwas Glitzer, hatten ihre festen Plätze, die sie wie Dylan kaum einmal verließen. Der Künstler stand etwas gebeugt am Klavier oder saß auf einem Hocker, griff in die Tasten und sang. Rund 90 Minuten am Stück, ohne Pause, ohne jede Aktion und ohne ein einziges gesprochenes Wort.

Keine Ansage, kein danke, kein Abschied. Allerdings kam er nach langanhaltenden stehenden Ovationen des Publikums noch einmal auf die Bühne, um endlich seinen heißersehnten und größten Hit zu zelebrieren — „Blowin’ in the Wind“. Mit sozialkritischen Songs wie diesem traf er in den 1960er Jahren den Nerv der Zeit. Die pazifistische Hymne wurde zum Signal einer ganzen Generation.

Seinen Hit interpretierte er allerdings musikalisch derart verfremdet, dass er kaum wiederzuerkennen war. Das galt ebenso für viele der anderen rund 20 Lieder, die er zum Besten gab. Wer auf all diese Marotten vorbereitet war und einzig der Musik und den Texten — so man sie bei dem schon immer nuschelnden Interpreten verstand — lauschte, kam zumindest musikalisch voll auf seine Kosten. Viele Zuhörer genossen es, saßen zum Teil mit geschlossenen Augen da und wiegten sich im ständig wechselnden Rhythmus der Stücke. Musik pur, nur gelegentlich aufgelockert durch dankbaren Applaus. Dylan ist ein musikalisches Genie und hat noch immer nichts von seiner Faszination verloren, hat noch immer dieses unverwechselbare rauchige Timbre in seiner anfangs etwas brüchigen Stimme.

Die Band wäre allein schon einen Besuch wert gewesen. Ein Ereignis war schon ihr Einspielen vor jedem Lied, wobei sie auf der Suche nach dem Gleichklang ihrer Instrumente wirkten, um dann fulminant loszulegen. Mitunter spielten bis zu drei von ihnen Gitarre, angeführt von dem virtuosen Charlie Sexton, und verliehen den verblichenen Folkrhythmen ihren ursprünglichen Klang. Zusätzlich gab das Schlagzeug den Takt vor.

Was wohl viele Anhänger vermissten, war das wehmütige Spiel Dylans auf der Mundharmonika, mit dem er früher so markant seine Lieder begleitete. Auch zur Gitarre griff er selbst nicht. Ob eigene Stücke, fremde Stücke, frühe oder späte Phase — der Musiker mischt sein Programm nach Lust und Laune, wechselt jedoch stets zwischen getragen und fetzig, zwischen Folk, Swing, Rock und Pop mit Anleihen aus Country, Blues und Gospel. Mitunter war sein Idol Frank Sinatra herauszuhören. Ein etwas anderer Musikabend als bei Pop-Konzerten üblich hinterließ bei den Zuhörern sicher zwiespältige Gefühle. Musikalisch war er ein Hochgenuss.