John Southworth: Kühnes Konzept, klasse Konzert

Berlin (dpa) - „Album des Jahres“ im deutschen „Rolling Stone“ - und doch war selbst der kleine Grüne Salon in Berlin beim einzigen Deutschland-Auftritt von John Southworth nicht pickepackevoll.

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Wer am Montagabend nicht dort war, verpasste ein großartiges Konzert.

Der Kanadier hatte im Vorjahr mit „Niagara“ einen hochambitionierten Songzyklus abgeliefert, der nicht nur die Redakteure des genannten Musikmagazins begeisterte - noch dazu quasi aus dem Nichts (allerdings gibt es von Southworth auch schon ältere, ebenfalls recht kühne Platten mit nostalgischen Balladen sowie Kunstlied- und Klezmer-Einflüssen). In gut 20 üppig produzierten Softpop-Songs behandelte der 42-Jährige vor dem Hintergrund der berühmten Wasserfälle an der kanadisch-amerikanischen Grenze Besonderheiten und Befindlichkeiten der beiden so unterschiedlichen Nachbarländer.

Ein echtes Konzept-Doppelalbum also, mit verschwenderischen, leichten und zugleich gehaltvollen Melodien - gesungen von einer nicht klassisch schönen, eher markant nasalen Stimme, die abwechselnd an Leonard Cohen, John Lennon oder Harry Nilsson erinnerte. Auch im Konzert flogen dem aufmerksamen Zuhörer die Referenznamen nur so, als der verstrubbelt und verschlafen wirkende, musikalisch aber hellwache Southworth mit bis zu sieben Begleitern die winzige Bühne bespielte. Zu bestaunen waren Anklänge an Randy Newman oder Van Morrison, oder man dachte an jüngere Pop-Genies wie Sufjan Stevens und Dan „Destroyer“ Bejar.

An Klavier oder Akustikgitarre brillierte der jugendlich aussehende Mann aus Toronto, ließ seinen Mitstreitern aber reichlich Raum für eigene Virtuosität. Vor allem Gitarrist Thom Gill nutzte dies für jazzige oder bluesige Exkursionen, die aber zu keiner Zeit den Rahmen der sorgfältig komponierten „Niagara“-Lieder sprengten. Dass Southworth mit seiner bescheidenen, freundlichen Bühnenpräsenz auch noch hochsympathisch rüberkam, verstärkte den Wohlfühlfaktor dieser plüschigen Salon-Show.

Man darf nun gespannt sein, was Southworth nach dem großen Wurf mit „Niagara“ als nächstes einfällt. Sein bisheriges Schaffen seit dem Debüt „Mars Pennsylvania“ (1998) zeigt ihn als unermüdlich Neuland suchenden, auch Fehltritte nicht scheuenden Songwriter. Jedenfalls sollte der Club für ein Southworth-Konzert beim nächsten Berlin-Gastspiel größer und dann hoffentlich auch ausverkauft sein. Verdient hätte es dieser hoch talentierte Kanadier allemal.