Krachender Rock: Lenny Kravitz live in Berlin
Berlin (dpa) - Lenny Kravitz ist eine musikalische Naturgewalt: Zwei Stunden steht der 50-jährige US-Superstar am Mittwochabend in Berlin auf der Bühne und geht ab wie ein Jugendlicher.
Die rund 7500 Fans in der nicht ganz ausverkauften O2-World gehen mit und erleben einen krachenden Auftakt der Deutschlandtournee. Eine Tour, die man sich als Rockfan nicht entgehen lassen sollte - und zwar aus sechs Gründen:
DER MANN IST SO COOL: Schwarzer Ledermantel, große Sonnenbrille, Dreitagebart. Wenn einer cool ist, dann Lenny Kravitz. Dabei ist der US-Star keiner dieser „Ihr könnt mir doch gar nix“-Typen. Seine Coolness ist eher eine Lässigkeit, eine Nonchalance, die sagt: Yeah, ich bin ein Rockstar, aber was soll's? Ich mache Musik, darauf kommt es an.
DER MANN IST HEISS: Bei aller Rocker-Coolness hat Lenny Kravitz eine Leidenschaft, die lodernd brennt. Wenn ein 50-Jähriger zwei Tage nach einer krankheitsbedingten Konzertabsage (Lodz) so über die Bühne springt, sich die Seele aus dem Leib singt und abgeht wie eine Teenieband beim Abschlussball, dann muss er brennen. Außerdem war und ist Kravitz ein wandelndes Sexsymbol: Die Frauen im Publikum himmeln ihn verzückt an, vor allem wenn er am Ende dann doch noch seinen durchtrainierten, tätowierten Oberkörper zeigt; die Männer, die mit mit dem einstigen 90er-Jahre-Star Kravitz 20 Jahre älter geworden sind, wären gern einmal nur ein bisschen so wie er.
DIE MUSIK: Man muss gar nicht alle zehn Studio-Alben des Musikers rauf und runter singen können, um sein Konzert von der ersten bis zur 120. Minute zu genießen. Klar jubelt jeder begeistert auf, wenn Hits wie „Are You Gonna Go My Way“, „Fly Away“, „American Woman“ oder „It Ain't Over 'Til It's Over“ gespielt werden. Doch auch bei unbekannteren älteren Stücken oder den neuen Songs des aktuellen Albums „Strut“ trifft schon der erste Takt sofort ins musikalische Nervenzentrum. Es ist dieser Mix aus echtem Rock mit Funkelementen und Soulanleihen, der Kravitz so unverwechselbar macht. Dazu kommt eine ekstatisch mitgehende Band, auch wenn die Musiker es mit den Soli (Gitarre, Saxofon, Trompete) gegen Ende ein bisschen übertreiben - aber irgendwie muss sich so eine Live-Band ja auch mal ausspielen können.
DIE SHOW: Es gibt sie praktisch nicht, die Bühnenshow. Und das ist gut so. Dieses Lenny-Kravitz-Konzert ist in erster Linie genau das: Ein Konzert von und mit Lenny Kravitz. Zum Auftaktsong „Dirty White Boots“ steht er im grellen Scheinwerferlicht, sonst nichts. Keine blinkenden LEDs, keine glitzernden Bühnenaufbauten, kein Schnickschnack. Danach wird die Bühne mal in blau, mal in grün, mal in orange getaucht; auf der Leinwand: Kravitz überlebensgroß oder zum Song „New York City“ seine Heimatstadt in Schwarz-Weiß-Videobildern. Das war's. Purer Rock'n'Roll eben.
DIE LOCATION: Nun ist eine Mehrzweckhalle wie die O2-World in Berlin (und so viele andere in Deutschland) nicht unbedingt ein guter Grund, sich ein Konzert anzuschauen: zu groß, zu hoch, zu unpersönlich. Doch das lässt Lenny Kravitz vergessen. Er rockt einfach ab, und es ist egal, wo man gerade ist, selbst wenn es Reihe 17 im Unterrang ist. Man wünscht sich zwar insgeheim in einen kleinen Club mit ein paar hundert enthusiastischen Fans, wo das Kondenswasser von der Decke tropft und die Körpertemperatur fieberähnliche Grade erreicht, aber dafür ist der Name Lenny Kravitz dann doch zu groß. Am Ende hat man auch in der großen Halle ein erfüllendes Dröhnen in den Ohren - ein durchaus gutes Zeichen bei einem Rock-Konzert.
DIE PHILOSOPHIE: „It's only Rock'n'Roll, but I like it“, sangen die Rolling Stones einst. Es ist nur Rock'n'Roll, aber ich mag es. Genau Kravitz' Motto, so scheint es. Er lässt es krachen: Die Gitarren schrammeln, die Bässe wummern und die Drummerin zerfetzt die Drumsticks. Wer Musik ohne Firlefanz mag, ist hier genau richtig.
Weitere Tourtermine in Deutschland: 7.11. Frankfurt/M., 8.11. Stuttgart, 15.11. München, 18.11. Oberhausen