Kraftakt für Richard Wagner
Simone Young, Opernintendantin in Hamburg, dirigiert zehn Opern in drei Wochen. Allein ihre Partituren wiegen mehr als 60 Kilo.
Hamburg. Hamburgs Opernintendantin Simone Young hat schwer zu tragen: 61 Kilogramm bringen die Partituren der zehn Hauptwerke Richard Wagners zusammen auf die Waage.
Schon jetzt bereitet sich die australische Dirigentin auf ein waghalsiges Unterfangen vor: Zum 200. Geburtstag bringt die Staatsoper Hamburg vom 12. Mai bis zum 2. Juni die wichtigsten Werke des Komponisten zur Aufführung — Spieldauer: 39 Stunden, 45 Minuten.
„Das ist schon eine wahnsinnige Anstrengung, sowohl physisch als auch mental. Aber wenn man so vertraut ist mit den Werken und alle schon seit 20 Jahren dirigiert, dann ist es vielleicht nicht so verrückt, wie es im ersten Moment klingt“, sagte die Wagner-Expertin.
Ihr großes Vorbild Daniel Barenboim hat diesen künstlerischen Kraftakt bereits vor Jahren an der Berliner Staatsoper gewagt. Mit Schwimmen, regelmäßiger Massage und Akupunktur bereitet sich die 52-Jährige auf ihren Wagner-Marathon vor: „Ich mache regelmäßig Physiotherapie für die Schultern, denn die werden sehr stark belastet. Ich nehme ab (lacht), damit ich dann wirklich in Topform bin.“
Die Proben haben begonnen. Am 7. April gibt es mit der Wiederaufnahme von Peter Konwitschnys Inszenierung „Die Meistersänger von Nürnberg“ (2002) einen Vorgeschmack auf den „Wagner-Wahn“. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Ruth Berghaus’ strenger „Tristan und Isolde“-Interpretation (1988), Konwitschnys „Lohengrin“ (1998), Robert Wilsons „Parsifal“ (1990), Marco Arturo Marellis „Der fliegende Holländer“ (1996) und Harry Kupfers „Tannhäuser“ (1990).
„Das sind Meilensteine in der Geschichte der Staatsoper“, sagte Young. Hinzu kommt der „Ring“-Zyklus von Claus Guth, den sie herausgebracht hat. „Ich mag unseren Zyklus sehr. Ich finde, er ist psychologisch so klug ausgedacht, und so menschlich, das gefällt mir sehr.“
Erst gewöhnen musste sich Young an die Konwitschny-Inszenierungen unter ihrem Vorgänger Ingo Metzmacher, die damals einen Skandal auslösten; unter anderem, weil die Ritter von Brabant als kurzbehoste Rasselbande im Klassenzimmer toben und die Festansprache von Hans Sachs unterbrochen wird.
„Ich finde die ,Meistersinger’ höchst witzig. Ich hab schon oft gesagt, dass ich diese Unterbrechung im Dialog nicht mag. Aber ich finde, es wäre falsch gewesen, das Stück nicht zu machen“, meint die Opernintendantin.
Besonders freut sich Young auf die vielen Stars, die an die Elbe zurückkehren: Es gibt insgesamt 119 Solistenpartien, die längste ist mit 140 Minuten Hans Sachs („Die Meistersinger“). „Die Besetzung der „Meistersinger“ ist großartig: mit Bo Skovhus als Beckmesser, James Rutherford als Hans Sachs, Meagan Miller als Eva, Klaus Florian Vogt als Walther von Stolzing und Jürgen Sacher — für mich einer der besten Davids der letzten 50 Jahre“, meint die Opernchefin.