Kritik von allen Seiten - Die Gema kämpft ums Image

München (dpa) - Ist die Gema schuld, wenn demnächst Discos dichtmachen? Seit die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte die Gebühren für Tanztempel reformieren will, laufen Disco-Betreiber, Politiker und der Gaststättenverband Sturm.

Bis zu zehnfach höhere Abgaben, klagen sie, stürzten kleine Clubs in den Ruin. Stimmt nicht, sagt die Gema. Nur die Großen würden draufzahlen - kleine Betreiber sogar sparen. Schon davor hatte die Gema Probleme mit ihrem Image: Nach einem Prozess im April sollte die Internet-Plattform Youtube verstärkt dafür sorgen, dass dort keine Videos mit urheberrechtlich geschützter Musik auftauchen. Gleichzeitig wurde die Rolle des Videoportals als neutrale technische Plattform bestätigt. Beide Seiten haben Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt, so dass es in einigen Monaten vor dem Hamburger Oberlandesgericht weitergeht. Youtube sperrte mehr und mehr Clips für Nutzer in Deutschland - aber die Gema bekam von vielen die Schuld dafür in die Schuhe geschoben, dass die Videos aus dem Netz verschwanden

Unterstützer scheint der Verein, der dafür sorgt, dass Songschreiber und Komponisten Geld bekommen, wenn ihre Musik in der Öffentlichkeit gespielt wird, kaum zu haben. Konzertveranstalter, Onlineplattformen und Disco-Betreiber verteufeln zu hohe Abgaben, kleine Künstler kritisieren ein unfaires Ausschüttungssystem, das die großen Fische angeblich begünstigt.

Eine sehr aktive Kritikerin ist Monika Bestle, die schon zwei Petitionen gegen die Gema verfasst hat. „Ich bin die Kämpferin für das Heer der Künstler, über deren Kopf entschieden wird“, sagt die Veranstalterin einer kleinen Kulturwerkstatt im Allgäu. „Die Veranstalter bezahlen, aber bei den Künstlern kommt nichts an - die Verteilung durch die Gema ist zutiefst ungerecht.“ Eine Art „Geheimbund“ sei der Verein, der „hinter verschlossenen Türen“ tage.

Das Tarifsystem ist tatsächlich hoch kompliziert: 137 Tarife listet die Organisation auf ihrer Internetseite auf. Dazu gibt es viele Unter- und Härtefallregelungen. „Eine echte Wissenschaft“, räumt Gema-Syndikus Alexander Wolf ein. „Das ist auch ein bisschen die Krux der Gema. Das führt zu extrem komplexen Verteilungsmechanismen, denn das Geld muss Punkt für Punkt gerecht verteilt werden“, sagt er. Die Mitglieder seien jedoch oft skeptisch: Geht da alles mit rechten Dingen zu?

Ja, versichern Wolf und der Direktor der Abrechnungsabteilung, Jürgen Brandhorst. „Wenn ein Stück einer Newcomerband im Radio gespielt wird, verdient die Band genauso viel daran wie ein großer Rockstar.“ Wichtig seien hier nur zwei Fragen: „Wie oft und wo wird ein Werk gespielt?“

Nicht erst seit Aufkommen des Internets wollen viele Menschen für die Musik, die sie hören, kein Geld auf den Tisch legen. Der Musiker und Autor Sven Regener kritisierte das im Bayerischen Rundfunk zuletzt heftig: „Das ist im Grunde nichts anderes, als wenn man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: Euer Kram ist eigentlich nichts wert, wir wollen das umsonst haben.“ Er forderte eine gerechte Bezahlung für die Urheber und kritisierte die Geiz-ist-geil-Mentalität vieler, die sich Musik illegal im Netz besorgen heftig. Wer würde auch künftig noch Musik komponieren, wenn er kein Geld mehr dafür bekommt? Regener sagt: „Die Gema sind letztendlich wir.“

Denn die Organisation sorgt dafür, dass auch die Menschen hinter den bekannten Sängern und Bands Geld für ihre Arbeit bekommen. Alleine könnten sie ihre Rechte kaum gegenüber Veranstaltern und anderen professionellen Musiknutzern durchsetzen. Sie schließen dafür einen Vertrag mit der Gema ab und die treibt dann für sie das Geld ein. Sie vergibt Lizenzen - und alle, die Musik öffentlich abspielen, müssen dafür Gebühren an die Gema bezahlen.

Die nun geplante Gebührenänderung für Clubs und Discos bedeute für einen mittelgroßen Club eine Erhöhung von rund 28 000 Euro auf etwa 174 000 Euro im Jahr, sagt Lutz Leichsenring von der Berliner Clubcommission. Der Gaststättenverband Dehoga spricht von Gebührensteigerungen einzelner Betriebe von bis zu 500 Prozent.

Gema-Sprecherin Ursula Goebel gibt zu: „Für 40 Prozent der Veranstalter wird es teurer werden.“ Doch diese hätten bislang auch zu wenig bezahlt. Weniger als 10 Prozent der Betreiber würden künftig wirklich stark belastet - vor allem große Diskotheken ab 800 Quadratmetern und acht Euro Eintritt. Statt elf Tarifen soll es nur noch zwei geben - je nachdem, ob die Musik live oder vom Tonträger gespielt wird. Die Gema will dann einheitlich zehn Prozent der Eintrittsgelder bekommen.

Auch die niedersächsische Landesregierung hat bereits Protest angemeldet. „Eine vollständige Veränderung der Tarifstruktur kann nicht einseitig festgelegt werden“, sagt Ministerpräsident David McAllister (CDU). Über die geplante Tarifreform wird nun bei einem Schiedsstellenverfahren beim Marken- und Patentamt in München gestritten - der Behörde, die die Gema kontrolliert. Ein fairer und schneller Interessenausgleich wäre wünschenswert, denn die neuen Tarife sollen am 1. Januar 2013 in Kraft treten.