Kultband Biermösl Blosn löst sich auf
Günzlhofen/München (dpa) - Nach dreieinhalb Jahrzehnten steht die bayerische Kultband Biermösl Blosn vor dem Aus. Tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten über die künftige Ausrichtung sind die Ursache für das Auseinandergehen des Trios.
Anfang 2012 wollen die drei Brüder zum letzten Mal gemeinsam auftreten. Hans Well, der „Kopf“ der Biermösl Blosn, konnte sich mit seiner Vorstellung von politisch zugespitzten Liedtexten bei seinen Brüdern Christoph („Stofferl“) und Michael Well nicht mehr durchsetzen, wie er der Nachrichtenagentur dpa in München sagte.
Die Biermösl Blosn - sie trat oft zusammen mit Gerhard Polt auf - ist für ihre bissig-politischen Texte zu bayerischer Volksmusik weit über die bayerischen Grenzen bekannt. „Gott mit dir, du Land der Baywa“ - wenn die Well-Brüder im Bayernlied als der weiß-blauen „Nationalhymne“ die veränderten Lebensbedingungen im Freistaat anprangerten und das Wort Bayern durch den Namen des Agrarhändlers ersetzten, klopften sich die Zuhörer auf die Schenkel. Die CSU-Sympathisanten ließen es sich zwar nicht anmerken, aber auch viele eher konservativ denkende, alteingesessene Bayern freuten sich insgeheim, mit welch beißendem Spott es das Trio seinem „Lieblingsgegner“ CSU wieder einmal heimzahlte.
„Es wurde seit fünf Jahren immer schwieriger, neue Texte einzustudieren“, sagte Hans Well der dpa. „Die CSU ist nicht mehr das, was sie einmal war“, nannte er als Beispiel dafür, dass er in seinen Liedtexten stets auf veränderte politische Rahmenbedingungen reagieren wollte. Der Atomausstieg sei ein weiteres Beispiel. „Ich habe einen Stau von bis zu 30 Texten.“
Wenn das aus Günzlhofen im oberbayerischen Landkreis Fürstenfeldbruck stammende Trio diese Veränderungen in seinen Auftritten nicht mehr zum Thema machen könne, „dann fehlt genau das, was die Biermösl Blosn ausmacht“. Hans Well sprach von einem längeren Prozess der inhaltlichen Entfremdung unter den Brüdern. „Ich war immer öfter verzweifelt.“ Es habe sich der „Segen und Fluch einer Familie“ gezeigt. „Wir sind Brüder, und wir haben schon immer gestritten.“
Für den 20. Januar 2012 ist der letzte gemeinsame Auftritt geplant. Künftig werden die Brüder getrennte Wege gehen. Christoph und Michael Well wollen im Februar 2012 in den Münchner Kammerspielen neu durchstarten - zusammen mit ihren Schwestern von der Gruppe „Wellküren“ in Form eines „Hausmusikabends“ unter der Regie von Franz Wittenbrink. Auch die „Wellküren“ - Bärbi, Moni und Burgi Well - feiern nach dem Vorbild ihrer noch berühmteren Brüder Erfolge auf der Bühne.
Hans Well könnte sich indessen eine Zusammenarbeit mit seinem kabarettistischen Vorbild Dieter Hildebrandt vorstellen. Und der 84-Jährige springt ihm bei. „Es gibt Überlegungen für ein paar gemeinsame Abende“, sagte Hildebrandt der dpa. Konkrete Pläne für ein gemeinsames Programm bestünden aber noch nicht. Dieter Hildebrandt bedauerte das Ende der Biermösl Blosn. „Ich bin nicht sehr glücklich darüber.“ Vielleicht hätten die drei Brüder aber erkannt, dass es „besser nicht mehr werden kann“.
Angefangen hat alles mit unverfälschter bayerischer Volksmusik. In der großen Familie Well aus dem Dorf Günzlhofen rund 40 Kilometer westlich von München - die Eltern Hermann und Traudl setzten 15 Kinder in die Welt - wurde von jeher Hausmusik gemacht. Irgendwann wandten sich die drei Brüder Hans, Christoph („Stofferl“) und Michael Well jedoch von der reinen Volksmusik ab und begannen Lieder zu satirischen Texten zu verfremden. Das Jahr 1976 gilt als Beginn der Gruppe Biermösl Blosn. Der Name leitet sich aus einem Biotop (Beerenmoos) in der Heimat und dem bayerischen Wort Blosn für Gruppe ab.
Der 58-jährige Hans Well gilt als Kopf des Trios, das oft zusammen mit dem Kabarettisten Gerhard Polt auftritt. Der studierte Germanist und Historiker schreibt alle Texte. Christoph Well (51) war einst Solotrompeter bei den Münchner Philharmonikern. Michael Well (52) beherrscht die Tuba perfekt. Bei ihren Konzerten bedienen die drei Musiker ein ganzes Sammelsurium von Instrumenten, darunter auch Alphörner. In den vorderen Reihen sitzende Besucher der Auftritte können ein Lied davon singen, wenn ihnen das Trio die Schalltrichter seiner Alphörner unter Gelächter der übrigen Zuschauer auf die Schultern legt.
Der Aufstieg der Biermösl Blosn begann nach Gastspielen auf Münchner Kleinkunstbühnen mit Fernsehauftritten in Satiresendungen, später auch im ARD-„Scheibenwischer“. Als sie Anfang der 1980er Jahre die weiß-blaue Hymne „Gott mit dir, du Land der Bayern“ in „Gott mit dir, du Land der Baywa“ verfremdete und mit dem Text in Anspielung auf den Agrarhändler BayWa die veränderten Lebensbedingungen im Freistaat anprangerte, spielte der Bayerische Rundfunk zeitweise die Lieder nicht mehr. Der Text schaffte es versehentlich sogar in ein bayerisches Schulbuch. Mittlerweile ist die Gruppe sowohl im Hörfunk als auch im Bayerischen Fernsehen mehr als wohlgelitten.
Ihr Markenzeichen ist eben die Politsatire zu musikalisch abgewandelten Liedern („Die Hafenstraß ist multikulturell, die CSU ist multikriminell“). Gern zahlten es die Well-Brüder der in Bayern lange Zeit unangefochten regierenden CSU heim. Oft bediente sich das Trio dabei alter Liedformen, wie etwa des Gstanzl, das Volksmusiker wie der Roider Jackl oder Kraudn Sepp lange vor ihm pflegten. Äußerliches Markenzeichen seiner Auftritte ist ein folkloristischer Mix aus Lederhose und Frack.
Zu den Besonderheiten der mehrfach ausgezeichneten Biermösl Blosn gehört auch, dass sich die drei Brüder trotz ihrer Bekanntheit bis zuletzt nicht zu schade waren, bei Vereinsfesten oder Feuerwehrjubiläen auf dem Land aufzutreten. Die Zuhörer tobten stets bei den Gastspielen der drei Well-Brüder in Bierzelten.