Kunst für Kommerz: Wenn Musiker mit der Werbung flirten

Berlin (dpa) - „Ihr habt einen Pakt mit dem Teufel gemacht!“ - Jim Morrison soll getobt haben, als er vom Deal seiner Bandkollegen erfuhr: Sie wollten den „Doors“-Song „Light My Fire“ für einen Auto-Fernsehspot verleihen.

Letztlich kam es nicht dazu, ihr Lied wurde auch so ein großer Hit.

Doch was für Morrison damals noch ein Ausverkauf der Kunst war, scheint für viele Musiker heute eher ein Glücksgriff: Das eigene Lied wird in einem Werbeclip gespielt, häufig wiederholt und avanciert zum Ohrwurm. Pop-Experte Udo Dahmen rät allerdings zur Vorsicht beim Flirt mit dem Kommerz.

Junge Künstler sollten „genau abwägen, inwiefern die Glaubwürdigkeit durch so einen Deal leidet“, sagt der künstlerische Direktor der Popakademie Baden-Württemberg. Er hat mehrere bekannte Bands wie „Wir sind Helden“, „Fury in the Slaughterhouse“ oder „Seeed“ ausgebildet. Gerade Künstler, die weniger Mainstream- und mehr Independentmusik machten, könnten damit ihr Stammpublikum verprellen. „Kommt die Musik in den Ruf des 'Werbe-Jingles', kann sie sogar langfristig für das anspruchsvolle Indie-Publikum verbrannt sein“, erklärt Dahmen.

Die Chance, die eigene Musik an Werbespots groß rauszubringen, scheint zunächst verlockend: Schließlich hat die Werbung schon legendäre Werbe-Jingles produziert, die Welthits wurden: Angefangen von Robin Becks „First Time“ für einen Coca-Cola-Spot bis zu Kate Yanais „Bacardi Feeling“ im „Summer Dreaming“. Umgekehrt funktioniert das sogenannte Sync-Geschäft: Ein bereits produzierter Song läuft im Hintergrund des Werbeclips. Mittlerweile existiert eine breite Industrie, die die Vermittlung von Musik an Marken professionell betreibt. Sie werben zum Beispiel damit, dass „der Sommerhit des Jahres die Hymne Ihrer Kampagne“ wird, wie die Firma Informa. Andere Musikvermarkter managen sogar eigene Bands wie die Firma Brainstorm.

Finanziell erst mal weniger attraktiv, scheint dieser Deal jedoch gerade für neue oder weniger bekannte Bands eine ideale Rampe für den Durchbruch zu sein. Der deutsche Liedermacher Hans Hartz schaffte es 1991 auch in internationale Hitlisten, als das „Becks“-Schiff zu seinem Lied „Sail Away“ kreuzte. 2002 schossen die Dandy Warhols in die Charts, als der Handyanbieter Vodafone ihren Song „Bohemian Like You“ in einem Spot spielte. Der Titel selbst war da bereits zwei Jahre alt.

Dagegen bekam der belgische Sänger Milow Starthilfe für ein neues Lied. „You And Me (In My Pocket)“ war vor der Veröffentlichung in einer Werbung der Deutschen Telekom zu hören - und rauschte danach direkt auf den dritten Platz der deutschen Singlecharts. In Ländern ohne Werbekampagne lief der Song verhaltener an. Laut Udo Dahmen ist für den Künstler vor allem die Zeit nach einem TV-Spot kritisch: „Große Konzerne binden sich eben nur für den einen Deal. Die Musiker müssten danach ohne die Unterstützung auskommen.“ Und nicht jeder könne damit leben, dass der Hype auch wieder ende.

In der künstlerischen Phase nach dem großen TV-Ohrwurm befindet sich derzeit Yael Naim. Dass sie „die mit dem Apple-Lied“ ist, störe sie nicht, sagt die französisch-israelische Sängerin. Dass Steve Jobs persönlich ihr Stück „New Soul“ für eine Notebook-Werbung entdeckt haben soll, ist nur Legende. Ein Mitarbeiter des US-Konzerns habe das Lied im Radio gehört und probehalber in den TV-Spot eingebaut, erzählt sie. Sie hielt es für eine Chance, ihre Musik bekannter zu machen. Tatsächlich konnte sie ihr erstes Album in weitaus mehr Ländern als geplant verkaufen.

Popakademie-Leiter Dahmen glaubt nicht, dass ein Künstler auf diesem Weg eine glaubwürdige Karriere aufbauen kann. Werbung sei eben zeitgeistig. Es sei schwer, darin ein Stammpublikum aufzubauen. „Der Übergang vom Werbelied-Fan zum Konzertbesucher ist allerdings extrem schwierig. Die Schnittmenge ist nicht allzu groß.“

Auch mehr als 40 Jahre nach Jim Morrisons Ausraster gebe es noch Bands, für die ein kommerzieller Deal niemals infrage käme, beispielsweise „Wir sind Helden“, erläutert Dahmen. „Die sagen ganz klar: Keine Werbung, kein Corporate“. Dies sei gewissermaßen das Markenzeichen der mittlerweile 11 Jahre alten Band.