Lässiger Indiepop von Vampire Weekend

Berlin (dpa) - Mit einer raffinierten Rezeptur aus rasantem Indierock, Weltmusik und schlauen Texten schafften es Vampire Weekend vor drei Jahren überraschend bis an die Spitze der US-Charts. Gar nicht so einfach, dieser Erfolgsgeschichte ein neues Kapitel hinzuzufügen.

Doch mit Album Nummer drei bleibt das New Yorker Quartett in der Spur: Erneut Top-Platzierungen in Großbritannien und den USA - und auch immer mehr deutsche Pop-Fans erliegen dem Charme der jungen Band um den smarten Sänger Ezra Koenig. „Modern Vampires Of The City“ stieg hierzulande auf Platz 21 ein.

Vampire Weekend, 2006 an der Columbia University gegründet und mit dem selbstbetitelten Debüt sogleich enorm erfolgreich, behalfen sich diesmal mit einem probaten Mittel: Alles ein bisschen anders machen - aber bitte nicht so sehr anders, dass die alten Fans vergrault werden. Eine Verfeinerung des Bewährten also, auch eine Erweiterung der Möglichkeiten: Punk, Pop und Afrobeat, Singer/Songwriter und echte Streicher - es gibt keine Genregrenzen mehr. Und wundersamerweise gelingt der Intellektuellen-Band auch dieser wohldurchdachte Kursschwenk mit spielerischer Lässigkeit.

Auf dem dritten Album huldigen Vampire Weekend wieder ihrer Heimatstadt mit einer fein dosierten Mischung aus Euphorie und Melancholie. „Definitiv ist New York das Zentrum unserer Platten, weil wir da ja wohnen“, erzählte Koenig der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Die neue Platte handelt sicher am stärksten von der Stadt.“ Das fängt beim Cover-Motiv des Albums an (die US-Metropole Mitte der 60er Jahre im dekorativen Nebel) und hört bei den Personenschilderungen der Songs noch nicht auf.

Seinen leicht schnöselig-elitären Habitus hat der stets gut frisierte Hipster Koenig nicht ganz abgelegt, etwa in Sätzen wie diesem: „Für mich fühlen sich Platten sehr stark wie Romane an, oder wie eine Sammlung von Kurzgeschichten.“ Auch das Zusammenspiel von Melodien und Begleitbildern beherrschen Vampire Weekend aus dem Eff-Eff. So verblüffte die Vorab-Single „Diane Young“ mit einem unfassbar energiegeladenen Rockabilly-Groove - und einem Video, in dem die Band ein Saab-Cabrio in aller Seelenruhe ausbrennen ließ. Ein Statement, das bei Fans des Kultautos für Irritationen sorgte, in seiner eigentümlichen Ästhetik aber hundertprozentig zu den cleveren, kunstbeflissenen Endzwanzigern passte.

Das mit Spannung erwartete neue Album hatte Koenig vorab als Abschluss einer Trilogie nach „Vampire Weekend“ (2008) und „Contra“ (2010) bezeichnet. Und Keyboarder Rostam Batmanglij sagte dem britischen Magazin „Uncut“, man habe sich um mehr Tiefgang bemüht, manches klinge nach den Fifties oder gar nach Jazz. „Ich denke, der Klang des Pianos steht im Mittelpunkt.“ Nach all diesen Andeutungen lässt sich zumindest feststellen, dass Vampire Weekend auf dem Weg zum perfekten Indiepop ein gutes Stück vorangekommen sind.

Nun gelingen auch stimmungsvolle Balladen - vorher nicht eben eine Stärke des Quartetts. Das mit Cembalo und Engelschorälen verzierte „Step“ etwa dürfte einer der zärtlichsten Songs dieses Jahrgangs sein. Und natürlich haben Vampire Weekend immer noch den an Paul Simons „Graceland“-Meisterwerk geschulten Afropop im Programm, etwa im entspannten „Everlasting Arms“. Koenigs hibbelige Jungsstimme ist ohnehin so typisch, dass man diese Band mit einem insgesamt ruhigeren, reiferen Werk immer noch aus tausenden anderen heraushört.

In den diesmal besonders prägnanten Klavier-, Streicher- und Bläser-Arrangements klingt das Gespür von Vampire Weekend für klassische Musik an. Und die vertrackte Rhythmik von „Hudson“ zeigt, dass die Bandmitglieder auch in den Clubs gut zugehört haben. Mit „Modern Vampires Of The City“ ist den New Yorkern quasi die Quadratur des Kreises gelungen: ein Pop-Album, das verspielt, leichtfüßig und ambitioniert, traditionsbewusst und hochmodern zugleich ist.