Wagner wird 200: Der verehrte und verfluchte Komponist

Tiefe Zuneigung oder strikte Ablehnung — so erging es dem Musiker schon zu seinen Lebzeiten. Geändert hat sich daran nicht viel.

Bayreuth. Er mutet seinem Publikum viel zu. Er mutet den Sängern und Musikern viel zu. Er erntet dafür tiefe Zuneigung oder strikte Ablehnung. Richard Wagner polarisiert. Das zeigte sich schon zu Lebzeiten: Revolutionär und Königsfreund, innovativer Musikdramatiker und wüster Antisemit.

Entweder man ist fasziniert und liebt sein Werk — oder man verabscheut es abgrundtief. Adolf Hitler gehörte zu jenen, die Wagners Musik liebten. Diese Tatsache und Wagners Judenfeindlichkeit machen ihn zu einer der umstrittensten Figuren der deutschen Kulturgeschichte. Vor 200 Jahren wurde er in Leipzig geboren.

Wagner ist kein Junggenie im Stile eines Mozart. Er betreibt zunächst Eigenstudium und hat Privatunterricht. Erst der Leipziger Thomaskantor Theodor Weinlig habe die Beschäftigung mit der Musik in professionelle Bahnen gelenkt, schreibt der Wagner-Kenner Dieter Borchmeyer. Wagner müht sich im Musikbetrieb: 1833 wird er Chordirektor in Würzburg, es geht weiter nach Magdeburg, Königsberg und Riga.

Er ist verheiratet mit der Schauspielerin Minna Planer. Die Ehe ist eine Abfolge von Hochs und Tiefs. Sie werden sich später trennen. Aus Riga flieht das Paar bei Nacht und Nebel. Wagner hat eine Sehnsucht. Sie heißt Paris. Dort will er Karriere machen. Doch es klappt nicht recht, die Wagners leben in bitterer Armut.

In den 1840er Jahren bessert sich die Lage zunächst, Wagner wird Kapellmeister in Dresden. In dieser Zeit hätten sich alle späteren Werke schon herausgebildet, Wagners Werk habe deshalb keine Chronologie, notiert der Schriftsteller Thomas Mann. Die Dresdner Zeit für Wagner endet jäh: Er beteiligt sich 1849 am Maiaufstand und muss fliehen.

Obdach findet er in der Schweiz. Auch privat gibt es große Veränderungen: Er beginnt eine Beziehung mit Cosima von Bülow (1837-1930). Es stört nicht, dass die Tochter von Franz Liszt mit dem Dirigenten Hans von Bülow verheiratet ist. 1865 wird „Tristan und Isolde“ in München uraufgeführt — pikanterweise unter der Leitung des gehörnten Ehemannes Bülow.

Die finale Station für Wagner wird Bayreuth. Wagner trägt sich mit dem Gedanken, im barocken Opernhaus des fränkischen Provinzstädtchens seinen „Ring“ aufführen zu lassen. Doch die Bühne ist ungeeignet. Trotzdem hält Wagner am Standort fest. Er will seine Festspielidee verwirklichen.

Dafür lässt er ein eigenes Opernhaus bauen, für die Familie plant er das Haus Wahnfried. Beides lässt sich nur finanzieren, weil König Ludwig II. einspringt. 1876, bei den ersten Festspielen, kann der „Ring des Nibelungen“ erstmals komplett aufgeführt werden. Erst 1882 gibt es wieder Festspiele — Wagners letzte Oper „Parsifal“ wird uraufgeführt. Er stirbt 1883 in Venedig.

Jahrzehnte später wird das Festival zur großen Bühne für Adolf Hitler, einem engen Freund des Wagner-Clans. Dass der Komponist ein Antisemit war und den Juden jede Befähigung zur Kunst absprach, passt perfekt ins Bild. Und heute? Zum 200. Geburtstag scheint Wagners Judenfeindlichkeit, der nationalistische Geist, die Verstrickungen der Familie mit den Nazis der Wissenschaft als Diskussionsfeld überlassen. Sobald aus dem Bayreuther Orchestergraben die ersten Töne emporsteigen, gilt nur noch die Kunst.