Pro und Contra: Kann man Wagners Musik unbelastet hören?

Pro von Lars Wallerang

Richard Wagner hat sich zwar auf unverschämte Weise über Juden ausgelassen, doch war er in seinem Antisemitismus auffallend inkonsequent. Zahlreiche Juden gehörten zu seinem Freundeskreis, darunter der Pianist Karl Tausig sowie Hermann Levi, Uraufführungs-Dirigent des „Parsifal“. Sie kannten Wagners cholerischen Charakter und relativierten seine Juden-Hetze als generelle Auflehnung eines armen Schluckers gegen das reiche, etablierte Bürgertum. Wagners Werke sind derweil gänzlich frei von judenfeindlicher Ideologie.

Vielmehr steckt in seinen Opern Kritik an der Gesellschaft. Im „Tannhäuser“ scheitert der Held am Tugendsystem im mittelalterlichen Thüringen. „Der Ring des Nibelungen“ ist ein Untergangsszenario resultierend aus Geld- und Machtgier der Oberschicht. Und im letzten Werk, dem „Parsifal“, ist der Held ein Naivling, der erst durch Mitleid zum König des Grals heranreift. Wagner-Fan Hitler hat in der Oper wohl nicht so richtig aufgepasst.

Nein, der Mann steht für nationalen Größenwahn und einen geifernden Hass auf Juden. Seine Werke lassen sich keinesfalls losgelöst davon betrachten.

In der Bundesrepublik gab es bis ins Jahr 2003 eine schöne Tradition: Bis auf wenige Ausnahmen ließ sich kaum ein Spitzenpolitiker, geschweige denn ein Kanzler, beim jährlichen Wagner-Wahn, den Bayreuther Festspielen, blicken. Bis Gerhard Schröder dem Grünen Hügel seine Aufwartung machte — und damit der Musik eines Antisemiten übelster Ausprägung eine Art Unbedenklichkeitszeugnis ausstellte. Der missverstandene Wagner, rehabilitiert von Kanzlers Gnaden.

So einfach ist es dann doch nicht. Die oft vorgebrachte Rechtfertigung, der Komponist könne ja nichts dafür, ausgerechnet Hitlers Liebling gewesen zu sein, greift zu kurz, weil sie den Kern verschweigt. Wagner ist geistiger Brandstifter: In den Werken des Sachsen gerinnt ein mythologisch überdrehter Patriotismus zum nationalen Größenwahn. Gepaart mit (s)einem geifernden Antisemtismus eine perfekte Blaupause für die Nazi-Ideologie. Nein, der Mann ist eine Zumutung — und damit auch seine Musik.