Stadtjubiläum Wuppertal Martin Gauger: Kein Treueeid auf Adolf Hitler

Der Wuppertaler Jurist verweigerte den Kriegsdienst und wurde 1941 ermordet.

Martin Gauger.

Foto: ja/Gedenkbuch Wuppertal

„Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen“ - diesen Eid konnte er nicht leisten. Es sei ihm, so schrieb Martin Gauger an seinen Bruder, unerträglich gewesen, wenn er jenen uneingeschränkten Eid der Treue und des Gehorsams gegenüber jemanden geleistet hätte, der seinerseits an kein Recht und kein Gesetz gebunden sei. Als einziger Jurist verweigerte er nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten den Treueeid auf Hitler und beantragte am 25. August 1934 bei dem Präsidenten des Landgerichts Wuppertal seine Entlassung aus dem Justizdienst, die an 7. September 1934 erfolgte.

Martin Gauger wurde am 4. August 1905 als fünftes Kind des Ehepaares Josef und Emeline Gauger in Elberfeld geboren. Er wuchs in einem pietistischen, konservativ-deutschnationalen Elternhaus auf. Nach dem Abitur studierte er Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. An das Examen als Diplom-Volkswirt 1927 schloss sich 1930 das erste juristische Staatsexamen an, 1933 legte er die zweite juristische Staatsprüfung ab. Im Januar 1934 wurde er Assessor bei der Staatsanwaltschaft in Wuppertal und im August bei der Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach.

Die Entlassung aus dem Justizdienst ging ihm „erbärmlich nah“. Den Treueeid auf Adolf Hitler aber konnte er nicht leisten, weil er sich damit verpflichtete, gegen Personen auch gegen oder ohne Gesetz nur aufgrund des Führerbefehls vorgehen zu müssen. In den Monaten nach seiner Entlassung fertigte er eine juristischen Dissertation über „Bekenntnis und Kirchenregiment in ihrer Beziehung zueinander“. Sie erschien 1936, wurde aber sofort als „schädliches und unerwünschtes Schrifttum“ beschlagnahmt.

Im Januar 1935 erhielt Gauger eine Anstellung in der Rechtsabteilung der vorläufigen Kirchenleitung der bekennenden Kirche in Berlin. Er beriet insbesondere inhaftierte Pfarrer bzw. deren Anwälte. Gauger war kirchenpolitisch zunächst willens, mit dem vom Reichskirchenminister eingesetzten Kirchenausschüssen zusammenzuarbeiten. Seit 1938 hielt er aber die Versuche der Verständigung mit dem Staat für gescheitert. Er lehnte nun Kompromisse, die er bisher aus Loyalität gegenüber den lutherischen Bischöfen mitgetragen hatte, ab und baute Beziehungen zum Widerstand auf.

Es reifte in ihm der Entschluss, den Kriegsdienst zu verweigern. 1939 widersetzte er sich seiner Musterung zum Wehrdienst. Im April 1940 erhielt er den Gestellungsbefehl. Er schrieb: „Ich habe einige Zeit angenommen, ich könnte diesen Krieg ertragen, wenn ich nicht mit der Waffe dienen müsste, aber das ist doch ganz eng und falsch gedacht und eigentlich auch feig.“

Er unternahm am 25. April 1940 einen Selbstmordversuch, um seiner Mutter die Last eines Kriegsgerichtsverfahrens zu ersparen. Im Mai 1940 gelang ihm eine halsbrecherische Flucht in die Niederlande, bei der er den Rhein durchschwamm. Einen Tag später überfiel die deutsche Wehrmacht die Niederlande. Gauger versuchte nun über Deutschland in die Schweiz zu gelangen. Durch Schüsse in die Beine hinderten ihn deutsche Soldaten an der weiteren Flucht. Er wurde in das Gefängnislazarett Düsseldorf–Derendorf verlegt und von dort in das KZ Buchenwald.

Der Bitte von Gaugers Mutter, sich für einen Strafprozess einzusetzen, kamen die Bischöfe Meiser und Wurm nicht nach. Am 14. Juli 1941 wurde Gauger in der Gaskammer der Euthanasieanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet. Einem Mitgefangenen vertraute Martin Gauger zuvor an, dass es ihm schwer sei, seinen Glauben an die Gerechtigkeit Gottes hochzuhalten. Er vermochte nicht zu verstehen, dass bis weit in die Kreise der bekennenden Christenheit hinein der Nationalsozialismus immer noch Anerkennung finde, obwohl in der Kriegsführung, in der Handhabung der KZ Lager und in dem gesamten Rechtsgebaren Niedertracht und Gemeinheit ganz offen zu Tage träten.

Martin Gauger starb, weil er seine aufrechte Haltung beibehielt und in seinem Tun konsequent seinem Gewissen folgte. Sein Vermächtnis lebt fort. Im Gedenken an ihn verleiht der Bund der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen alle zwei Jahre den Martin-Gauger-Preis. In einem landesweiten Wettbewerb sollen Schüler sein Vermächtnis in die Gegenwart projizieren. Vor der Hopfenstraße 6 in Wuppertal wurde ein Stolperstein verlegt und schließlich trägt seit September 2017 die kleine Brücke über die Wupper an der Schwebebahnhaltestelle „Landgericht“ seinen Namen.