Auftritt Schauspieler Ben Becker überzeugt in Wuppertal: Eine Welt im Dornröschenschlaf
Wuppertal · Mit seiner neuen Produktion „Todesduell“ war der Prominente auf der Bühne der Friedhofskirche in Elberfeld zu erleben.
Welches Thema auch immer Film- und Theaterschauspieler Ben Becker anpackt, wird für seine Zuschauer zum ergreifenden Erlebnis. Sein 60. Geburtstag fiel zusammen mit der Premiere seiner neuen Produktion „Todesduell“, die im November im Berliner Dom Premiere feierte. „Todesduell“ steht für die vielleicht berühmteste Predigt der Welt, die John Donne 1631 im Beisein von König Charles I. hielt. Von schwerer Krankheit gezeichnet, beschrieb der Poet und Priester das Leben als Duell mit dem Tod. Es waren seine letzten öffentlich gesprochenen Worte vor dem eigenen Tod. Donne starb in dem Alter, in dem sein Interpret Becker jetzt ist.
Auf Einladung des Salon Knallenfalls machte Becker am Samstag die Elberfelder Friedhofskirche zur Bühne. Das Gastspiel mochte manchen an seinen „Ich, Judas“-Auftritt von 2018 erinnern. Auch diesmal war das Interesse riesig. Lange vor Einlass bildeten sich Schlangen auf den Fußwegen zwischen Hochstraße und Kirchenportal, am Ende füllten gut 700 Gäste Bänke und Empore des neoromanischen Bauwerks.
Plädoyer für einen unbefangenen Blick auf Sterben und Tod
Wie in „Judas“ geht es auch beim „Todesduell“ um die letzten Fragen. Der Schauspieler und Regisseur deutet Donnes Predigt als Plädoyer für einen unbefangenen Blick auf Sterben und Tod. Wie ernst Becker das Thema ist, zeigte der Auftakt in der Friedhofskirche. Mit unverkennbar sonorer Stimme trug er einen anderen viel zitierten Text des Poeten vor: „No man is an island“ (Niemand ist eine Insel) beschreibt die Totenglocke als Schicksal, dem sich alle stellen müssen. Durch die Schlusswendung „Sie schlägt für euch“ bezog der Rezitator aus dem Off seine Zuhörer mit ein.
Als Becker wenig später auf der Kanzel erschien, wirkte das wie ein „Re-Enactement“ des Predigers Donne, der zehn Jahre an der Londoner St. Paul’s Cathedral wirkte. Den erhöhten Standpunkt nahm er freilich nur kurz ein. Auf der Vorderbühne kam er dem Publikum umso näher und unterstrich seine Botschaft mit kräftigen Gesten und leichthändigen Bewegungen.
Das eindringliche Spiel half, Donnes oft paradoxe Sprachbilder nachzuvollziehen. Für ihn ist das Leben keine Lust, sondern eine Wanderung ohne festes Ziel. Mehr noch: Kindheit, Jugend und Erwachsensein erscheinen ihm als eine Abfolge von „Toden“. Als Ausweg aus der tristen Existenz sieht er den Glauben an Gott – und Beckers gen Himmel gerichteter Blick, in dem sich Sehnsucht und Hoffnung mischten, sprach Bände. Die Intensität seiner Darstellung steigerte sich, als er die Dichterworte in einen modernen Song kleidete (Arrangeur: Daniel Ott).
Nach tosendem Beifall und raschem Kostümwechsel widmete sich Becker der Frage, ob der Dichter selbst das Duell mit dem Tod gewonnen hat. „Große Elegie an John Donne“ nannte der russisch-amerikanische Schriftsteller Joseph Brodsky (1940-1996) seine Hommage an den von ihm verehrten Meister der metaphysischen Literatur.
Mit der Elegie entwarf der Schauspieler eine Welt, die in einen Dornröschenschlaf versunken ist. Was idyllisch aussehen könnte, zeugt nach und nach von der Allgegenwart des Todes. Doch Beckers Sprachrhythmus, der langsam, aber stetig schneller wurde, kündigte einen Perspektivwechsel an. Dem friedlich eingeschlafenen John Donne ist die Welt fremd, weil er sie längst hinter sich gelassen hat: „Du wurdest Vogel.“ Während der Dichter zu einer Reise durch den Kosmos ansetzt, bleibt das lyrische Ich zurück. In Brodskys Versen aber hallen Donnes Worte weiter, gebären neue Gedanken und verwandeln sich zum Totengedenken.
Starken Eindruck machten am Samstagabend auch die Projektionen auf der Leinwand, die Donnes Epoche mit den Bildern eines barocken Grabmals versinnbildlichten. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart pendelte das Spiel des Berliner Domorganisten Andreas Sieling, der unter anderem Minimal Music von Philip Glass variierte.
Hörbar bewegt nahm Ben Becker den Schlussapplaus in der voll besetzten Friedhofskirche entgegen: „Damit hatte ich nicht gerechnet.“ Den lautstarken Zuspruch nahm er als Indiz dafür, dass das gemeinsam mit Marike Moiteaux und John von Düffel entwickelte John Donne-Programm einen Nerv treffe. Überhaupt sei er in Wuppertal immer wieder gerne – allein schon wegen seiner Großmutter, die aus Elberfeld stammt.