Lindenberg ist Gronau-Ehrenbürger
Gronau (dpa) - „Wo ist denn hier der Eierlikör?“, fragt er, lacht und wippt mit dem Hut. Gleich wird Udo Lindenberg in Gronau auf die Bühne treten, dann wird aus dem berühmtesten Sohn der Stadt im Münsterland ein Ehrenbürger.
Hochoffiziell wird er dann mit einem Gläschen auf den Titel anstoßen, süßgelber Likör auf die höchste Auszeichnung, die die Stadt überhaupt verleihen kann. „Der verlorene Sohn kehrt zurück“, nuschelt er ins Mikrofon.
400 Gäste sind für die große Udo-Sause ins dortige rock'n'popmuseum gekommen. Adresse natürlich: Udo-Lindenberg-Platz 1. Alle singen Lobeshymnen auf den „Visionär“, „Spinner“, „Schöpfer“ und Menschen Udo. Sie kenne keinen großzügigeren Menschen als ihren Bruder, sagt Inge Lindenberg. „Die erste Flasche Bier, die haben wir geklaut“, erzählt Jugendfreund Clemens Buss. Aber auch: „Er steht zu seinem Wort. Immer.“ Als Überraschungslaudator springt Komiker Otto Waalkes auf die Bühne, blödelt rum und ruft Udo zu, er solle weiter sein Ding machen - als Musiker, Sänger, Künstler.
Es wird schnell klar: Udo Lindenberg ist kein verlorener Sohn, sondern schon lange Teil dieser Stadt: Schon beim Anruf im Rathaus kann man ihn hören. Lindenberg ist dort Warteschleifenmusik. An einem Kreisverkehr steht er überlebensgroß in Bronze. 2015 hatten Fans ihm das Denkmal gesetzt. „Lindianer“ können mit Stadtführer und Udo-Wegbegleiter Hanspeter Dickel bei panikhistorischen Rundgängen durch die 47 000-Einwohner-Stadt viel Wissenswertes hören über diese Verbindung zwischen dem Rocksänger und den Bewohnern seiner alten Heimat, die er liebevoll „Gronauten“ nennt.
Chef-Gronautin qua Amt ist Sonja Jürgens. Die 38-jährige Bürgermeisterin ist Fan seit früher Kindheit, erzählt sie vor der Zeremonie. Unzählige Konzertbesuche später konnte sie Lindenberg auch als Mensch jenseits der Bühne kennenlernen. Sie habe jemanden erlebt, der nicht nur oberflächliche Show mache, sondern unglaublich bescheiden auftrete und „sehr, sehr tiefgründig“ sei. „Es ist herzerwärmend zu sehen, wie bodenständig er ist und wie wichtig ihm die Menschen um ihn herum sind“, schwärmt sie.
Udos musikalische Leidenschaft und sein Geburtsort sind kein purer Zufall: Gronau sei stets eine Musikstadt gewesen, sagt Otto Lohle vom Kulturbüro der Stadt. Schon zu den Hochzeiten der einst hier florierenden Textilindustrie musizierten die Gronauer in vielen Werkschören. Jazz, Swing, Dixieland, später Rock'n'Roll - all das schwappte nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Niederlanden in die grenznahe Stadt. Heute gibt es ein renommiertes Jazzfestival.
„Über dieses Jazzbiotop ist Udo zum Trommeln gekommen“, sagt Lohle, der bei der Verleihung durch das Programm führt. Doch den jungen Lindenberg hielt es nicht allzu lang (Udo dazu: „In Gronau hatte ich wenig Möglichkeiten als Berufstrommler“). Liedgeworden ist seine Sehnsucht nach einer Welt hinter der damals noch arg verkrusteten Heimat in der Textzeile „Die beste Straße unserer Stadt, die führt aus ihr hinaus“.
Doch die öffentliche Ablehnung seiner Wurzeln im Münsterland sei nur eine Phase gewesen, weiß Stadtführer Hanspeter Dickel. Mit Lindenbergs Erfolg sei auch die nach außen gezeigte Nähe zur Stadt wieder gewachsen - und mit ihr die Liebe der Gronauer. „Viele, die ihn früher für einen reinen Spinner gehalten haben, sprechen heute von "unserem" Udo.“
„Er hat einfach nie vergessen, woher er kommt“, betont Lohle vom Kulturbüro. Das zeigt Lindenberg auch: Er hat eine Patenschaft für seine Realschule übernommen, wo er ein Programm gegen Rassismus unterstützt. Er ist Ehrenmitglied im Schwimmverein. Die Grundidee für das rock'n'popmuseum und einige Exponate dort stammen von ihm. Er hat für den Erhalt der Kirchenorgel gespendet, Bilder für gute Zwecke versteigern lassen, Konzerte ohne Gage gegeben.
Neben allem Engagement ist auch der Mensch Udo guter Grund für die Ehrenbürgerschaft, findet Bürgermeisterin Jürgens: „Ohne Udo Lindenberg würde uns eine Vorbildperson fehlen, die den Menschen hier Mut macht“, sagt sie. Sein Beispiel zeige, „dass Türen offen stehen, wenn man für etwas brennt, dass es richtig ist, Position zu beziehen, sich einzumischen, die Welt mitzugestalten“.