Macht glücklich: Pracht-Pop von Prefab Sprout
Berlin (dpa) - In den 80er und 90er Jahren schenkte er der Popmusik einige ihrer prächtigsten Lieder. Dann wurde es still um Paddy McAloon. Nun kehrt er unter dem bewährten Projektnamen Prefab Sprout zurück - mit einem Album, das alle Hoffnungen übererfüllt.
Das Comeback des genial-verschrobenen britischen Songwriters begann Anfang Juni mit einem mysteriösen Leck im Internet. Auf einer Fan-Webseite waren plötzlich Dateien zu finden, die sich unschwer dem kultisch verehrten McAloon zuordnen ließen. Zwar wurden die zehn Lieder - „auf Weisung von oben“, wie es hieß - bald wieder gelöscht, doch zum Glück nicht auf Dauer. „Crimson/Red“ (Embassy Of Music/Warner), das Anfang Oktober nun auch offiziell erschienene Album, hat es verdient, dass nicht nur eine kleine Fangemeinde im Netz diese fabelhaften Songs hört.
Denn McAloons erste neuen Aufnahmen seit zehn Jahren erinnern an die stärksten Werke von Prefab Sprout - etwa die in praktisch allen Pop-Bestenlisten vertretene Platte „Steve McQueen“ (1985) oder das noch ambitionierter angelegte „Jordan: The Comeback“ (1990). Wieder findet der inzwischen 56-jährige Songwriter große Melodien zwischen Pop, Soul und Jazz, die ihre Vorbilder Brian Wilson, Paul McCartney oder George Gershwin nicht leugnen, aber doch ganz eigene Wege suchen.
In symbolischen oder auch selbstironischen Texten lässt er den Teufel als Verführer auftreten („Devil Came A Calling“), einen Juwelendieb elegant wie einst Cary Grant über Dächer tänzeln (im Karriere-Highlight „The Best Jewel Thief In The World“) oder einen abgetakelten Zauberer von besseren Zeiten träumen („The Old Magician“). Das Pop-Megathema Liebe behandelt McAloon aus der Sicht des weltklugen älteren Herrn, den er mit seinem weißen Rauschebart auch optisch längst gibt - etwa im zauberhaften „Adolescence“ oder im potenziellen Singlehit „Billy“.
In der von McAloon wie immer wunderbar sensibel gesungenen romantischen Ballade „Grief Built The Taj Mahal“ hört man Einflüsse von Stevie Wonder. Und die Lyrics von „Mysterious“ oder „The Songs Of Danny Galway“ spiegeln seine Verehrung für die Kollegen Bob Dylan und Jimmy Webb - wie überhaupt „Crimson/Red“ eine einzige Ode an die Schönheit der Musik und die hohe Kunst des Songschreibens ist.
Schon auf dem Vorgänger-Album „Let's Change The World With Music“ (2009) - das allerdings „nur“ aus fast verschollenen Aufnahmen vom Anfang der 90er Jahre bestand - hatte der Mann aus der Nähe von Newcastle die schönen Töne zum Heilmittel erklärt. McAloon selbst zehrt bis heute von dieser Medizin angesichts schwerer gesundheitlicher Probleme: Er wäre vor einigen Jahren fast erblindet und erlitt außerdem einen Tinnitus, der ihm das Hören bestimmter Frequenzen und auch Live-Auftritte unmöglich macht.
„Ich hätte damals gern all mein Talent hergegeben für eine Nacht mit gutem Schlaf“, schilderte er kürzlich dem britischen Magazin „Uncut“ seine Leidenszeit. Trotz der Handicaps ist McAloon ein fanatisch fleißiger Pop-Komponist: Etliche komplette Alben mit perfekt ausgearbeiteten Songs sollen in seinen Schubladen liegen. Ob sie jemals veröffentlicht werden wie die nun frisch aufgenommenen Songs der vergangenen Jahre - völlig offen. „Zunächst geht es mir um meine eigene Freude an der Musik. Notfalls mache ich sie auch ohne Zuhörerschaft“, sagte McAloon kürzlich dem „Guardian“.
Auch auf „Crimson/Red“ haftet den Arrangements wieder etwas Musicalhaftes an, die Songs wirken wie mit Glanzlack überzogen. Früher zeichnete Edelpop-Produzent Thomas Dolby für solche Oberflächenpolitur verantwortlich, und Prefab Sprout waren noch eine echte Band. Diesmal schraubte McAloon die Songs solo im eigenen Studio zusammen, und gelegentlich - etwa beim Schlagzeug-Sound - hört man auch, dass dem Do-It-Yourself-Klangbastler nicht alle technischen Mittel zur Verfügung standen.
„Ja, auf diesem Album spielt kein anderer mit, und das ist für mich sehr traurig“, sagte McAloon dazu dem „Uncut“-Magazin. Aber so sei es nun mal, weil er auch krankheitsbedingt sehr zurückgezogen lebe und arbeite. Umso erstaunlicher, dass die Ergebnisse der heimischen Frickelarbeit letztlich doch so opulent und schwerelos zugleich klingen. Schon jetzt sind sich die Kritiker weitgehend einig, dass „Crimson/Red“ mit den stärksten Alben von Prefab Sprout - und das sind immerhin auch einige der besten der Popgeschichte - mithalten kann. Ein neues Referenzwerk von Paddy McAloon, das Glücksgefühle beschert.