Mehldau und Paeffgen: Piano-Jazz in Hochform
Berlin (dpa) - Wenn Jazz im Klavier-Trio-Format daherkommt, sind sogar Charts-Platzierungen drin. Das beweist immer mal wieder der große Virtuose Brad Mehldau. Ein deutscher Kollege des New Yorkers ist dagegen (noch) eher was für Szene-Insider.
Vollendeten Piano-Jazz mit eingängigen, aber nie populistisch unterfordernden Melodien bietet „Blues And Ballads“ (Nonesuch/Warner), die Trio-Nachfolgeplatte von BRAD MEHLDAU nach dem vielfach preisgekrönten Karriere-Highlight „Where Do You Start“ (2012). Wieder konzentriert sich der 45-Jährige auf Jazz- oder Blues-Standards sowie Cover-Versionen von Popsongs.
Nachdem er sich dabei früher gern bei Nick Drake, Jimi Hendrix oder Radiohead bedient hatte, sind es diesmal ein berühmtes Beatles-Lied („And I Love Her“, als zärtliche Rumba!) und ein nicht ganz so bekannter Solo-Track von Paul McCartney („My Valentine“). Unter Mehldaus bewährten Händen werden beide Songs zu reiner Jazzballaden-Magie.
Schon der Auftakt mit dem ungeheuer intensiven Blues-Groove von Buddy Johnsons „Since I Fell For You“ beweist, warum Brad Mehldau vielen Piano-Jazz-Kennern längst als der Weltbeste seiner Zunft gilt. „I Concentrate On You“ von Cole Porter ist ein ultra-harmonischer Samba, der zwar an Nachtclub- oder Bar-Atmosphäre nur knapp vorbeischrammt, aber dafür das traumwandlerisch-relaxte Zusammenspiel Mehldaus mit Larry Grenadier (Bass) und Jeff Ballard (Schlagzeug) besonders schön ins Schlagfenster stellt.
„Little Person“, das Soundtrack-Kleinod des Filmkomponisten und Songwriters Jon Brion, kennt man bereits in einer Version des deutschen Jazz-Maestros Michael Wollny. Mehldau spielt das Stück etwas anders, konzentriert sich aber ebenso wie der Kollege auf die Brillanz dieser wunderbar traurigen Melodie. Mit „Cheryl“ von Charlie Parker wird das Trio-Zusammenspiel etwas freier, auch frecher (inklusive kleinem Schlagzeug-Solo!), ehe Mehldau und seine Mitstreiter mit „These Foolish Things (Remind Me Of You)“ von Jack Strachey/Holt Marvell in die Balladen-Ecke zurückkehren.
Fazit: „Blues And Ballads“ präsentiert drei formidable Musiker in Höchstform. Besser geht's im Piano-Trio-Jazz wirklich nicht.
Während Brad Mehldau auf seinem neuen Album eher den ruhigen, melancholischen Tönen nachspürt, malt das Trio von ALEXANDER PAEFFGENauf „#Jazz“ (Broadview Music/Edel) mit breiter Palette. Dem aufgeräumt groovenden „Lucky Things“ folgt also die hübsche Latin-Jazz-Ballade „Spätvorstellung“, später treten auch wuchtige Stolper-Rhythmen (im Titelstück), angeschrägte Pop-Elemente („Rave“) und Klassik-Adaptionen (in Smetanas „Moldau“) hinzu.
Paeffgen, ein Professor für Komposition an der Popakademie Baden-Württemberg, hat - und da ähnelt er dem US-Amerikaner Mehldau - keinerlei Angst vor Genre-Dogmen oder Jazz-Puristen. Schon mit seiner vielgelobten Interpretation von Leonard Bernsteins „West Side Story“ (2002) erwies er sich als mutiger Grenzgänger und äußerst origineller Pianist. Auf der kunterbunten Platte „#Jazz“ zeigt er zusammen mit Christoph Sauer (Bass) und Christof Jaussi (Schlagzeug), dass es hierzulande neben dem allgegenwärtigen Michael Wollny und dem schwedisch-kubanisch-deutschen Tingvall Trio im Piano-Jazz ganz viel zu entdecken gibt.
Fazit: Das Alexander Paeffgen Trio war bisher noch etwas für feine, kleine Jazz-Zirkel - aber das könnte sich schnell ändern.
Konzerte:
Brad Mehldau: 3.7. Montreux/Schweiz, 5.7. Wien, 30.7. Elmau (alle mit John Scofield und Mark Guiliana), 31.10. Genf, 2.11. Zürich, 9.11. Essen (alle mit Joshua Redman), 18.1.2017 Zürich (solo).
Alexander Paeffgen: 19.9., Gastspiel mit „Abba jetzt!“ in der Berliner Bar jeder Vernunft