Mendig bereitet sich auf „Rock am Ring“ vor
Mendig (dpa) - Nietengürtel hängen in den Schaufenstern, im Supermarkt wird das Sortiment mit reichlich Bier, Dosenravioli und Grillwürstchen aufgestockt und die örtliche Apotheke bietet ein „Survival-Paket“ an.
Das Eifel-Städtchen Mendig macht sich bereit für einen Ansturm der besonderen Art. 90 000 Fans strömen in den kommenden Tagen zu „Rock am Ring“ auf den Mendiger Flugplatz. Aber was es heißt, erstmals eines der größten Festivals vor der Türe zu haben, kann in dem 9000-Einwohner-Ort keiner so recht einschätzen.
Bürgermeister Hans-Peter Ammel nennt den Zuschlag eine „ganz große Sahnehaube“. Am Mittwoch beginnt der Ausnahmezustand. Dann werden die ersten 40 000 Gäste in dem rheinland-pfälzischen Ort erwartet, am Donnerstag noch einmal so viele, der Rest am Freitag. Weil Mendig seine Einwohnerzahl kurzerhand verzehnfacht, schicken die umliegenden Gemeinden und Städte Verstärkung. Rund 300 Helfer vom Deutschen Roten Kreuz und etwa 600 Polizisten sollen Ammel zufolge im Einsatz sein.
Drei Jahrzehnte lang war das Festival am nur rund 30 Kilometer entfernten Nürburgring beheimatet. Nach dem Verkauf der Rennstrecke hatte sich Veranstalter Marek Lieberberg mit den neuen Besitzern aber nicht auf eine Zusammenarbeit einigen können - Nutznießer ist Mendig. Bei der 30. Auflage von „Rock am Ring“ werden dort am Wochenende unter anderem die Foo Fighters und The Prodigy oder Die Toten Hosen und Deichkind auf der Bühne stehen.
Die Stadt verspricht sich von dem Spektakel einen gehörigen wirtschaftlichen Nutzen. Eine bei einem Beratungsunternehmen in Auftrag gegebene Prognose sagt der Gemeinde eine Wertschöpfung von mehr als 2,8 Millionen Euro voraus. Der Einzelhandel stockt Vorräte auf, bucht Aushilfen und grübelt über spezielle Angebote für Festival-Gäste nach. Der örtliche Supermarkt öffnet kurzerhand eine temporäre Filiale am Flugplatz - mit einem fangerechten Sortiment.
Optiker Ulrich Rawert rätselt derweil wie sich seine Brillen mit Rock-Logo am besten verkaufen lassen. Und auch Franz-Josef Blum, der einen Tabakwarenladen betreibt, hofft auf kräftigen Umsatz. Er kann sich an nichts Vergleichbares in dem Ort erinnern.
Ein wenig erinnert Mendig an das schleswig-holsteinische Dorf Wacken, das jedes Jahr beim weltgrößten Heavy-Metal-Festival Zehntausende Fans empfängt. Aber: „Wacken ist über die Jahre gewachsen, der Handel ist mitgewachsen“, sagt der Tabakhändler. Mendig dagegen bekomme ein fertiges Event vor die Tür gesetzt. „Von Null auf Hundert“, so drückt es Bürgermeister Ammel aus.
Die Vorbereitungen begannen 2014 mit der Bewerbung um „Rock am Ring“. „Die Mitarbeiter der Verwaltung mussten ein Jahr lang rödeln, um all die 1000 Details zu klären.“ Mit Polizei, Sicherheitsdiensten und Behörden suchten sie etwa Platz für 30 000 Autos, planten Zufahrtswege, stellten Sicherheitskonzepte auf, lockten Feldlerchen vom Flugplatz weg.
Im Vergleich zu „Rock am Ring“ seien alle bisherigen Veranstaltungen hier „Peanuts“ gewesen, meint Sabine Schmickler in ihrer Tankstelle. Ob sie am Wochenende zum Schlafen kommt, steht in den Sternen. „Weiß keiner, was kütt“, sagt sie. Ein paar Meter weiter sitzt Peter Netten in seinem Taxi auf dem Marktplatz: „Das ist sowas von Neuland für uns.“
Mit Alltag rechnet Bürgermeister Ammel übrigens erst wieder am kommenden Dienstag. Aber nach dem Festival sei vor dem Festival. Veranstalter Lieberberg habe signalisiert: „Er will langfristig denken und bleiben.“