Mit U-Bahn-Anschluss: Musikfestivals in der Stadt
München/Hamburg/Berlin (dpa) - Eigentlich sind Musik-Festivals eine feine Sache: frische Luft, gute Musik, ein kühles Bier - und auch wenn die Preise seit Jahren tendenziell eher steigen, sind die Tickets immer noch günstiger als wenn man für jede Band einzeln zahlen würde.
Doch ein paar Probleme bleiben - zumindest für Leute, die es gern etwas bequemer haben: Im Zelt ist es entweder zu kalt oder zu heiß, Mobil-Toiletten stinken und die jungen Nachbarn auf dem Campingplatz, die gerade erst ihr Abitur gemacht haben, sind nachts einfach zu laut. Und wer keine Lust hat, gleich das ganze Wochenende auf einem Festival zu verbringen, nimmt vielleicht eher Abstand von einer langen Anreise zu einem matschigen Acker in Wacken, Neuhausen ob Eck („Southside“) oder Scheeßel („Hurricane“).
Festival-Verantwortliche in Deutschland haben die Probleme erkannt und setzen inzwischen verstärkt auf Musik-Events innerhalb von Großstädten. Das „Dockville“ in Hamburg gibt es schon seit Jahren. Doch auch München bekommt mit „Rockavaria“ Ende Mai zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein innerstädtisches Festival. Und das „Lollapalooza“ hat in diesem Jahr den Weg von Chicago nach Berlin geschafft. Festivals mit U-Bahn-Anschluss.
Der Vorteil aus Veranstaltersicht: das älter gewordene Publikum kann das älter gewordene Haupt auf heimische Kissen im eigenen Schlafzimmer betten - oder einfach ein Hotel buchen. „Wir wollen gezielt ein Publikum ansprechen, das etwas komfortorientierter ist und die Übernachtungsmöglichkeiten in der Stadt, im Umland oder auch zuhause nutzen möchte“, sagt Andrea Blahetek, Geschäftsführerin von Global Concerts GmbH, dem Veranstalter des neuen Festivals „Rockavaria“ im Münchner Olympiapark.
Ein netter Nebeneffekt ist auch, dass Ärger mit Anwohnern ohne allzu laute Camper eher ausbleibt: „Keine Campingmöglichkeiten anzubieten, war übrigens auch ein Anliegen der Stadt im Sinne der Anwohner, dem wir gerne gefolgt sind.“ In München gilt also bei dem dreitägigen Festival vom 29. bis zum 31. Mai: abends Kiss, Metallica oder Muse hören und danach schnell ab ins eigene Bett.
Ähnlich sieht es beim „Lollapalooza“-Festival in der Hauptstadt (12. und 13. September) aus. Auch dort gibt es keine Camping-Möglichkeiten. „Wir haben eine sehr breite Zielgruppe“, sagt Veranstalter Tommy Nick. Von 16 bis 50 sei alles dabei. Zwar sei bei Jüngeren die Bereitschaft zum Zelten noch da, allerdings richtet sich das Festival-Angebot auch besonders an Familien mit Kindern, die ihre Nächte nicht so gern zwischen feiernden Teenagern verbringen wollen.
Nick glaubt, dass das Drumherum heute wichtiger geworden ist. „Ich glaube, es gibt einen Trend dahingehend, dass man weggeht von dem rein musikalischen Angebot. Also nicht mehr nur Musik und wir spielen alle im Schlamm und machen Dosenstechen.“ Beim „Lollapalooza“, zu dem Seeed, die Beatsteaks, Deichkind und The Libertines erwartet werden, sollen auch Kunst und Mode im Mittelpunkt stehen, sagt er. „Man muss die Leute auch abholen mit einem Rahmenprogramm.“ Das „Dockville“ (25. Juli bis 15. August) in Hamburg versteht sich ohnehin schon als Festival für Musik und Kunst.
Nach Ansicht des Freizeitforschers Ronald Hitzler liegen insgesamt „Angebote für Bessersituierte“ auch bei Festivals im Trend. „Da gibt es in den vergangenen zwei bis drei Jahren eine Veränderung“, sagte der Soziologe von der Technischen Universität Dortmund schon im vergangenen Jahr.
Das zeigt sich zum Beispiel am „Southside“-Resort beim gleichnamigen Festival im baden-württembergischen Neuhausen ob Eck, wo Besucher den Abend laut Homepage „stilvoll ausklingen lassen“ können, oder bei „Rock im Park“ in Nürnberg, das in diesem Jahr vom 5. bis zum 7. Juni stattfindet. Dort wird trotz Stadtnähe zwar nach wie vor auf dem Zeppelinfeld gezeltet - das allerdings in einem Zwei-Klassen-System. Die Zelte auf dem Luxus-Campingplatz, einer Art Rocker-Schrebergarten mit Toilettenwagen statt Chemie-Toiletten in unmittelbarer Nähe der Hauptbühne, waren 2014 restlos ausverkauft.