Jazz-Festival Moers Festival mit Paukenschlag: Macher Michalke bietet Rücktritt

Alles andere als ruhige Zeiten beim renommierten Moers Festival für improvisierte Musik. Der künstlerische Leiter Michalke hat die Auflösung seines Vertrages angeboten. Dabei war auch in diesem Jahr das Festival wieder ein Labor experimenteller Avantgarde-Musik.

Reiner Michalke, Künstlerischer Leiter des Moers Festival, hat angeboten, seinen Vertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen.

Foto: Maja Hitij

Moers (dpa) - Das Moers Festival ist mit einem Paukenschlag zu Ende gegangen. Der künstlerische Leiter Reiner Michalke hat dem Aufsichtsrat der Moers Kultur GmbH überraschend die Auflösung seines bis 2020 datierten Vertrages mit sofortiger Wirkung angeboten. „Damit möchte ich den Weg freimachen für eine ergebnisoffene Diskussion um die weitere Zukunft des Festivals“, erklärte Michalke, der seit 2005 im Amt ist, am Montag. Er reagierte damit auf die Beinahe-Absage des diesjährigen Festivals und die Querelen um finanzielle Probleme.

„Die ständigen Auseinandersetzungen um das Festival, die alle nichts mit meiner eigentlichen Aufgabe als künstlerischer Leiter zu tun haben, kosten sehr viel Zeit und Kraft, die ich unter diesen Umständen nicht mehr aufzubringen bereit bin“, sagte Michalke.

Das von ihm konzipierte Programm der 45. Ausgabe war eines der künstlerischen Extreme zwischen Aufbruch in neue Klangdimensionen und Endzeitstimmung. Damit war es auch ein Spiegelbild der vom Aus bedrohten Festspiele für improvisierte Musik mit Weltgeltung. „Es war ein erfolgreiches Festival. Der Zuschauerbesuch war größer als im vergangenen Jahr. Die Beinahe-Absage hat dem Zuspruch keinen Abbruch getan“, bilanzierte Michalke. 2016 waren 12 000 Besucher gekommen. Und wie geht es weiter?

„Ich habe die Hoffnung nicht aufgeben und glaube an Moers“, hatte Michalke vor seinem überraschenden Angebot zur Vertragsauflösung gesagt. „Ich habe den besten Job beim besten Festival der Welt. Dafür bin ich bereit zu kämpfen.“

Die Stadt Moers und die Moers Kultur GmbH, deren neuer Geschäftsführer Dirk Hohensträter wegen eines drohenden Verlustes für die Festivals 2015 und 2016 von 420 000 Euro Alarm schlug, müssen Lösungen aus der Krise suchen. „Das Moers Festival ist eine Erfolgsgeschichte. Es hat Weltkulturrang“, appellierte Michalke.

Dass es sich lohnt, Moers als Schauplatz für Avantgarde-Musik und abseitige und bisweilen schrille Klänge zu erhalten, bewies die 45. Ausgabe - auch wenn nicht alles Treffer waren. Die großartige Komposition von Carolin Pook („pezzettino 8“) war wie ein musikalisches Gespräch für acht Geigerinnen, deren Miteinander man sich für die um das Festival streitenden Parteien wünscht: kreativ, aufwallend, im Gleichklang endend.

Oder soll es am Niederrhein so weitergehen, wie es der isländische Filmkomponist Jóhann Jóhannsson in seinem Endzeitstimmung erzeugenden Filmprojekt „End of Summer“ vorführte? Poetische Bilder mit endlos langen Einstellungen der bedrohten Antarktis, untermalt von einem minimal-musikalischen Soundtrack wirkten wie eine Allegorie des Untergangs. Wie ein konventioneller Fremdkörper kam dagegen der US-Sänger Sam Amidon mit seinen Indie-Folk-Songs daher.

Was Moers auszeichnet, sind musikalische Grenzgänge wie die von Kaja Draksler und Susanna Santos Silva mit Piano und Trompete oder das Forschen nach neuen elektronischen Klangformen wie durch Maja Osojnik oder Liz Kosack. Ihr mythologisch-philosophisches „Books of Birds“ war Tonforschung am äußersten Rand.

Gefeiert wurde Jeremy Flowers mit seinem Song-Zyklus „The Real Me“, der von den Erlebnissen des Älterwerdens erzählt und von Carla Kihlstedt mit variantenreicher, großartiger Stimme gesungen wurde. Für Begeisterung sorgten auch das kubanische Harold-López-Nussa-Trio, das den kubanische Jazz modernisiert hat, und die Medusa Beats, die sich dem klassischen Klaviertrio-Stil entziehen und mit intelligenten Improvisationen eine neue Form des Zusammenspiels gefunden haben. Auf eine faszinierende Suche nach den Spuren afro-kubanischer Musik begab sich der Pianist David Virelles mit seinem Werk „Mbókó“.