Neil Young: Agit-Rock-Feldzug gegen Gentechnik

Berlin (dpa) - Man darf sich Neil Young als Getriebenen vorstellen. Immer hektischer wirft der fast 70-jährige Rockstar Platten mit alten und neuen Liedern unterschiedlicher Qualität auf den Markt.

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Immer zorniger - manche meinen auch: immer naiver - klingt sein Polit-Engagement. Jetzt hat sich der kanadische Songwriter unter anderem den Gentechnik- und Agrarkonzern Monsanto zum Feindbild erkoren. Die Musik auf „The Monsanto Years“ droht dahinter zu verblassen - nicht zum ersten Mal in Youngs kurvenreicher Karriere.

Neun Stücke hat der alte Hippie und gar nicht so neue Wutbürger mit einer weitgehend unbekannten Truppe namens Promise Of The Real eingespielt. Zur Band gehören die Gitarristen Lukas und Micah Nelson - Söhne einer anderen uramerikanischen Musiklegende, des Country-Rebellen Willie Nelson. Zwischen derbem Garagenrock, typischem Neil-Young-Gitarrenkrach und gemütlichem Westcoast-Folk rumpeln die Songs dieses ungefähr 35. Studioalbums in Youngs enormer Diskographie insgesamt eher unauffällig daher.

Auf einer Qualitätsskala seit dem Start mit Buffalo Springfield vor 50 Jahren möchte man „The Monsanto Years“ bestenfalls im oberen Mittelfeld ansiedeln. Mit seiner Lieblings-Begleitband Crazy Horse hätte Young ein ganz ähnliches Album einspielen können - doch diese Herren sind wie er selbst um die 70, aber teilweise deutlich weniger fit. Und weil der Mann mit der etwas angerosteten Fistelstimme nicht nur ein „Heart Of Gold“, sondern eben auch jede Menge rotglühenden Ärger im Leib hat, musste das Ding jetzt schnell raus.

Schon im Opener „New Day For Love“ singt Young weniger über die Liebe als über die von Ausplünderung bedrohte Erde und über Menschen, die ihr Land vor „den Gierigen“ schützen müssen. „It's a bad day to do nothing“, warnt er - Nichtstun ist keine Option. Monsanto, aber auch der nach seiner Ansicht damit verbandelte Starbucks-Kaffeeriese, die Handelskette Walmart und der Energiekonzern Chevron bekommen namentlich ihr Fett weg. In „Workin' Man“ zitiert Young sein eigenes „Are You Ready For The Country?“, das er 1986 beim berühmten „Farm Aid“-Solidaritätskonzert für ausgebeutete US-Bauern spielte.

Über all dem schwebt in den teils brachial parolenhaften Textzeilen ein Furor, der die nicht allzu aufregende Musik von „The Monsanto Years“ in den Schatten stellt. Leidenschaft in simplen Lyrics ist Neil-Young-Kennern natürlich vertraut. Nicht immer hatte er sich allerdings für explizit linke Themen engagiert. So nehmen ihm auch treue Fans neben dem Engagement für die Präsidentschaft Ronald Reagans Anfang der 80er Jahre bis heute seine Reaktion auf den 9/11-Terroranschlag übel, als er das kämpferische Album „Are You Passionate?“ (2002) herausbrachte.

Seitdem hat Young indes einiges für seines guten Ruf im linksliberalen Amerika getan. Mit „Greendale“ (2003) veröffentlichte er ein schrulliges Öko-Konzeptalbum, mit „Living With War“ (2006) eine Platte voller Abscheu über den Irak-Krieg der Regierung George W. Bush - sowie diverse Songs und zuletzt sogar ein ganzes Buch über umweltfreundliche Autos. Unter dem Titel „Special Deluxe - Eine Auto Biographie“ erscheint es Anfang Oktober auch auf Deutsch.

Youngs Anti-Monsanto-Manifest auf seiner Facebook-Seite lässt an Deutlichkeit nun wieder kaum zu wünschen übrig: „Monsanto ist das Paradebeispiel für das, was in unserer Welt mit von Unternehmen kontrollierten Regierungen falsch läuft.“ Das Album behandele „mehrere miteinander zusammenhängende Themen, die Millionen von Menschen weltweit in Sorge und in Bewegung versetzen“.

Sein Gegner reagierte umgehend: „Viele von uns bei Monsanto waren und sind Fans von Neil Young. Für einige von uns spiegelt sein aktuelles Album unglücklicherweise nicht unsere feste Überzeugung für das wider, was wir tagtäglich tun, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. Wir stellen fest, dass es viele Missverständnisse darüber gibt, wer wir sind und was wir tun. Und leider sind viele dieser Mythen in den Songtexten enthalten.“

Auch Starbucks und Walmart gingen auf Youngs Vorwürfe bereits mit Defensiv-Stellungnahmen ein. Getreu dem Motto „Viel Feind, viel Ehr“ dürfte sich der polternde Folkrock-Zausel über diese schmallippigen Abwehrversuche die Hände reiben. Ein Agit-Rock-Volltreffer.