Neue CD "Kiss me once": Nur ein Kuss von Kylie

Nach einem schwierigen Jahr ist die 45-jährige Australierin mit „Kiss Me Once“ zurück auf der Tanzfläche — und gibt sich freier und lasziver als jemals zuvor.

Foto: William Baker/Warner Music

Düsseldorf. Das muss man sich mal vorstellen: Die Frau mit der zarten Stimme, die mit breitem Grinsen im offenen weißen Hemd übers Bett hüpft, wird im Mai bereits 46 Jahre alt. „Tonight I’m running free — into the blue“, singt sie aus vollem Herzen im Video zu ihrer neuen Single „Into the Blue“.

Foto: William Baker/Warner Music

Nächste Einstellung: goldenes Kleid, Disco, neckisches Wackeln mit dem ewig blonden Lockenkopf. Nein, Miss Minogue hat nichts von ihrem jugendlichen Charme eingebüßt. Mit der Reife kam der Sexappeal. Und der ist der dicke rote Faden des zwölften Albums „Kiss Me Once“, das die Australierin seit gestern zurück auf die Tanzflächen dieser Welt befördert.

Das Jahr 2014 soll für Kylie Minogue ein Neuanfang werden. Sie habe das letzte Silvester allein verbracht, gab sie in einem Interview zu, um über die vergangenen Monate nachzudenken. Den schmerzhaften Verlust ihrer verstorbenen Großmutter. Die Trennung von Manager Terry Blamey, der ihren Weg 25 Jahre lang begleitet hat — jetzt ist sie bei Jay Z’s Label „Roc Nation“. Und das Beziehungs-Aus mit ihrem Freund Andres Velencoso, mit dem sie fünf Jahre lang zusammen war.

„Ich musste auf die Bremse treten und mich 2013 von allem trennen, was im Vorjahr noch normal war“, sagt Kylie. Trauer verarbeitet sie schnell: „Ich gehe durch den Schmerz, aber dann komme ich darüber hinweg. Ich habe eine Million Dinge zu tun, das macht es leichter.“

Jetzt hat die quirlige 45-Jährige ihre Freiheit zurück. Zwischenzeitlich zog sie aus der Heimat nach Los Angeles, um „Kiss Me Once“ aufzunehmen. Auf der Platte knistert es wie eh und je. In drei Songs ist das plakativ zu sehen: „Sexy Love“, „Sexercize“, „Les Sex“ — das geht schon fast in Richtung Konzeptalbum, und es verwundert beinahe, dass es im Albumtitel bei nur einem einzigen Kuss bleibt.

Sia Furler ist neben Minogue die Produzentin, die die Fäden in der Hand hielt. Die 38-jährige Landsfrau von Kylie ist bekannt durch Kooperationen mit David Guetta („Titanium“) oder Flo Rida („Wild Ones“). Schon vorher haben die beiden „Aussies“ ab und an zusammengearbeitet, wenn es um die Texte der zierlichen Diva ging. „Ich bin mit ihr so gut ausgekommen, dass ich sie gefragt habe, ob sie das Album mit mir machen möchte“, sagt Kylie — und Furler hatte Lust.

Der Mann der Stunde, Pharrell Williams, durfte natürlich nicht fehlen. Es ist Kylies erste Zusammenarbeit mit dem Oscarnominierten („Happy“). Kurios: Kylie hatte ausgerechnet bei diesen Aufnahmen einen schlechten Tag, saß weinend bei Pharrell im Studio, kaum, dass sie angekommen war. „Ich wollte absagen, aber dann hast du mich daran erinnert, wer ich bin“, singt Kylie beschwingt und überhaupt nicht mehr traurig in „I was gonna cancel“ — Magier Pharrell hat ihr die passenden Worte zurechtgelegt.

Auch, weil die Platte in Los Angeles, London und New York mit insgesamt 13 Co-Produzenten aufgenommen wurde, war es wie ein einziger Trip für die Sängerin. „Dieses Album zu machen, war eine ziemliche Reise, aber ich liebe es. Es entstand in einer Zeit, in der es in meinem Leben eine ganze Menge Veränderungen und neue Anfänge gab. Ich bin völlig überwältigt von den Reaktionen, die es auf die Single gibt, und kann es kaum erwarten, dass alle das ganze Album zu hören bekommen“, ist die 45-Jährige voller Vorfreude.

Für Offenheit und Freiheit steht Kylie auch neben der Bühne ein. Seit in Russland Gesetze gegen homosexuelle „Propaganda“ verabschiedet wurden, sei sie trotz mehrerer Angebote bislang nicht mehr in das Land zurückgekehrt, sagt die Sängerin. Außerdem hatte sie zu einem Boykott der Olympischen Spiele von Sotschi aufgerufen.

„Wir sollten aber nicht das ganze Land verurteilen. Es gibt auch Russen, die nichts gegen Schwule und Lesben haben“, stellt sie klar. Kylie hatte schon immer eine große und treue Fanbasis unter homosexuellen Menschen. Es scheint, als könnten sie sich auf die Unterstützung durch ihr Idol verlassen.

Einen Nebenjob hat sich Kylie ebenfalls an Land gezogen. Was Nena in Deutschland ist, ist sie in England — und demnächst auch in ihrer Heimat Australien. Vor wenigen Wochen gab sie ihr Debüt als Coach bei der britischen Ausgabe der Casting-Show „The Voice“. Die einheimischen Medien überschlugen sich mit Lob: „Kylie hat die Show wiederbelebt”, jubelten die Kollegen. Ein Erfolg, den sie 2014 bei der dritten Staffel der australischen Ausgabe von „The Voice“ wiederholen könnte.