Neue Platte der Turntablerocker: Und ewig rockt die Disco-Kugel

Zehn Jahre ließen sich Michi Beck und DJ Thomilla Zeit, um als Turntablerocker noch einmal ordentlich hinzulangen. Motto diesmal: Tanzen wie in den 70ern.

Düsseldorf. Sicher, das kennt jeder: Man nimmt sich etwas vor, will es auch unbedingt verwirklichen, kommt aber einfach nicht dazu. Loriot ließ seine Mutter Hoppenstedt diesen steten Aufschub hehrer Vorsätze mal lakonisch mit „Man hat ja auch seinen Haushalt“ umschreiben.

Der Haushalt, das ist im Falle von Michael „Michi“ Beck und Thomas „Thomilla“ Burchia das Auflegen in den Clubs der Republik. Als DJ-Duo Turntablerocker sind die beiden bereits seit Ende der 90er unterwegs.

Ihre schier unerschöpfliche Lust am Mixen unterschiedlichster tanzbarer Musikstile ließ in schneller Abfolge 2001 und 2002 zwei Alben entstehen. Doch der dritte Longplayer, der lag dann lange auf Eis. „Es ist uns fast schon ein bisschen unangenehm“, sagt Michi Beck, „wir kamen einfach nicht dazu.“

Dass Beck als ein Viertel der Fanta 4 in den vergangenen Jahren gut ausgelastet war, ist bekannt. Thomilla wiederum, einst DJ und Produzent mit der Stuttgarter Kolchose (Freundeskreis, Massive Töne), nutzte die Nuller-Jahre für einige Solo-Projekte. Turntablerocker lebte trotzdem weiter: Wann immer es ihre Zeit zuließ, standen Beck und Thomilla gemeinsam am Mischpult.

„Wir haben zwar in zehn Jahren keine Platte gemacht, aber fast ununterbrochen zusammen aufgelegt“, sagt Beck. „Das ist das Fatale daran.“ Sicher, sie hätten so etwas wie eine Compilation rausbringen können, auf der ihre unzähligen Club-Maxis einfach hintereinander gehängt worden wären. „Aber das wollten wir nicht.“ Wenn schon ein neues Album, dann auch völlig neue Songs.

Und neu ist es tatsächlich geworden, was sich auf „Einszwei“ findet. Kein Swing mehr wie auf den ersten beiden Alben, auch keine Breakbeats und relativ wenig Funk — dafür Disco satt. Und zwar in seiner reinsten Form: hallende Glockenschläge, ätherische Frauenstimmen, verzerrte Synthesizer, geradlinige Rhythmen.

Besonders Michi Beck ist mit diesem Bekenntnis zum strahlend-kitschigen 70er-Sound an seinen Wurzeln angelangt: „Ich wurde durch Disco-Songs musikalisch sozialisiert.“ Als Teenager war er Dauergast der GI-Discos in Stuttgart. „Für mich war es der Inbegriff von Feiern, Verliebtsein, Musikmachen.“

Das Besondere an Disco? „Schwierig. Man ist versucht zu sagen, dass es immer nur um Tanzen, Happiness, einfach alles vergessen geht, was ziemlich banal klingt. Aber letztlich sind das die Hauptmerkmale, und gemessen daran, was Musik bewirken kann, ist das ja echt nicht wenig.“

Insgesamt ginge der Trend wieder mehr in Richtung Wärme und Soul, ordnet Beck die Clubszene ein. „Vor ein paar Jahren hat der Minimal-Sound die Tanzflächen dominiert. Alles klang sehr clean und kühl.“ Die Disco-Renaissance hingegen lasse wieder mehr Opulenz zu.

Doch nicht nur der satte Klang ist neu, auch beim Rest mussten Turntablerocker umdenken: Auf die Übernahme bereits vorhandener Gesangsparts, sogenannte Vocal-Samples, verzichteten sie diesmal. „Das passt einfach nicht mehr in unsere Zeit“, sagt Beck. „Außerdem ist es dank Internet zum Sport geworden, auch beim kleinsten Sampling den Ursprung auszumachen, und das gibt dann Rechte-Probleme.“

Der Verzicht auf die Samples stellte das Duo aber direkt vor ein anderes Problem: die Texte. „Mir wurde klar, ich muss selbst singen und schreiben“, sagt Beck. Problem: Auf Englisch hatte er noch nie getextet.

Deswegen sind die Songs auf „Einszwei“ jetzt von deutschen Reimen durchzogen. Trotz seiner Rap-Erfahrung war das anstrengend: „Ich wollte zwar keine politische Botschaft rüberbringen, aber es sollte auch kein stumpfes ,Wave-Your-Hands-Up’ auf Deutsch werden.“

Ist es auch nicht geworden. Der Nachzügler ist eine clevere Reminiszenz ans selige Studio 54, jenen New Yorker Club, der in den 70er-Jahren das optische Beiwerk zur Disco-Bewegung lieferte. „Da hingen die ganzen Schnapsnasen miteinander rum, und das Alter war wurscht“, sagt Beck. Heute sei das nicht anders: „DJs und Publikum sind wesentlich heterogener als vor 20 Jahren.“

Nur eines an der heutigen Clubkultur will Beck nicht in den Kopf: „Die Leute kommen immer später zu Partys. Vor halb eins oder halb zwei brauchst du eigentlich gar nicht anfangen aufzulegen. Ich finde das irgendwie seltsam. Was machen die alle vorher?“