Neue Sampler stillen Sehnsucht nach echtem Soul
Berlin (dpa) - Es scheint große Sehnsucht zu geben nach echter Black Music jenseits von Bruno Mars, Rihanna oder Beyoncé. Anders ist kaum zu erklären, dass immer neue Sampler mit schwarzer Musik aus der großen Ära der 60er/70er Jahre auf den Markt kommen.
Im Februar sind nun gleich mehrere Kompilationen erschienen, die den unverwüstlichen Musikstil (Soul und Funk), die Herkunftsorte (vor allem Detroit, Chicago, Memphis) und seine Hauptdarsteller feiern. Die Alben nähern sich dem Thema sehr unterschiedlich, aber sie haben eines gemeinsam: Man spürt die bis heute wirksame Faszinationskraft dieser wunderbaren Sänger und Songs. Ganz klar: Die Welterfolge von Retro-Soul-Stars wie Amy Winehouse, Adele, Sharon Jones, Janelle Monáe oder Charles Bradley wären ohne diese Vorbilder undenkbar.
Das vielfach preisgekrönte deutsche Label Bear Family liefert mit seiner 5-CD-Sammlung „Sweet Soul Music 1971-1975“ mal wieder ein Meisterwerk ab. Es ist das letzte Kapitel einer aufwendigen Serie, die sich dem R&B, Soul und Funk zwischen 1945 und 1975 verschrieben hat. Jedes einzelne Jahr wird mit einer randvollen CD gewürdigt. Neben großen Hits der frühen bis mittleren Seventies (Beispiel 1971: Ike & Tina Turners „Proud Mary“, James Browns „Soul Power“, Bill Withers' „Ain't No Sunshine“ oder „Respect Yourself“ von The Staple Singers) sind auch viele unbekanntere, fast verschollene Songs auf den Alben versammelt.
Toll sind sie alle - die guten Leute von Bear Family haben mal wieder mit unfehlbarer Geschmackssicherheit ausgewählt. Man kann immer darüber streiten, ob man von Marvin Gaye, Al Green, The Temptations, Bobby Womack oder The Four Tops ein anderes Lied noch lieber gehört hätte, das man auf dem Sampler nun vermisst. Aber insgesamt vermittelt „Sweet Soul Music 1971-1975“ mit rund 120 Stücken jenseits aller Label-Grenzen doch einen fantastischen Überblick zu einer Ära, deren Wirkung auf Musiker in aller Welt bis heute nicht nachlässt.
Dass die Songs in sorgfältig remasterten Versionen präsentiert und von umfangreichen Anmerkungen (alle Liner Notes in dicken CD-Booklets) begleitet werden, versteht sich hier fast von selbst. Schade nur, dass die Serie nun zu Ende ist: 1975 begann die Disco-Ära, und da hört es für Bear Family mit der wirklich großen Soulmusik offenkundig auf.
Während die deutsche Traditionsplattenfirma chronologisch vorgeht, orientiert sich das zu Atlantic/Warner gehörende Label Rhino an Personen und stellt jetzt zwei der allergrößten Soul-Stars in den Mittelpunkt. „Aretha Franklin - The Queen Of Soul“ stellt auf vier CDs Songs der Jahre 1967 bis 1976 zusammen, die viele Experten für die besten ihrer bis heute reichenden Karriere halten. Und „Otis Redding - The King Of Soul“ lässt auf ebenfalls vier CDs die kurze Karriere des phänomenalen Reibeisen-Shouters Revue passieren, der 1967 bei einem Flugzeugabsturz starb.
Beide CD-Boxen haben vor allem für denjenigen großen Wert, der umfassende Porträts für wenig Geld erwerben will. Mit jeweils rund 90 Songs ist eine Riesenmenge Aretha und Otis zu hören - eigentlich alles, was man braucht, in guter Überspielqualität angesichts des hohen Alters vieler Aufnahmen (bis zu gut 50 Jahre). Mit Infos allerdings geizen beide Sampler: Sowohl zu Franklin als auch zu Redding hätte man sich mehr gewünscht als nur die Songtitel mit einigen wenigen Angaben zur Herkunft der Lieder. Aber das ist wohl die unvermeidliche Kehrseite einer so preisgünstigen Veröffentlichung. Dennoch ist dieser Rückblick auf die Königin und den König des Soul durchaus empfehlenswert.