Neues Album: Casper will raus aus der geistigen Enge des Hinterlandes
Mit „XOXO“ hat sich Casper vorgestellt, jetzt widmet er sich auf „Hinterland“ seiner Generation. Das am Freitag erschienene Album steckt voller Energie und Poesie.
Düsseldorf. Eigentlich ist dieses Album ein Film. Ein Klang gewordenes Roadmovie. Oder ein Bildungsroman. Man will wissen, was aus der Hauptperson wird, wohin die Reise bis zum letzten Song führt. Was passiert mit dem mal energischen, mal verletzten, mal wütenden und dann wieder zweifelnden jungen Mann? Begeben wir uns auf einen Trip durchs „Hinterland“ des Benjamin Griffey, 31 Jahre alt, Künstlername Casper.
Am Anfang steht der Aufbruch. Casper hat genug von der Provinz. „Das ist kein Abschied, denn ich war nie willkommen“ — gleich der erste Satz des Openers „Im Ascheregen“ ist das Manifest eines Grenzgängers, der immer zwischen den Dingen stand: Als Kind Benjamin zerrissen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten, wo er im Alter von zwei bis elf Jahren lebte. Als Jugendlicher zwischen dem Vater, einem US-Soldaten, und seiner Mutter, mit der er allein zurückkehrte in die nordrhein-westfälische Provinz von Bösingfeld. Als Musiker zwischen Hip-Hop, Punk und Pop, von den einen teils als Verräter gesehen, von den anderen als Aufrührer beargwöhnt.
Woran machst du fest, nicht willkommen zu sein?
Casper: In meiner Jugend war ich im Dorf immer irgendwie der Einzige — der einzige Skater, der einzige Punk, der einzige Hip-Hopper. Das hat mich geprägt. Vermutlich komme ich deshalb immer noch nicht aus dem Gefühl heraus, mich permanent beweisen zu müssen.
Du spielst oft mit Worten wie „abreißen“ oder „niederbrennen“. Womit hast du vor der neuen LP abgeschlossen, um neu anfangen zu können?
Casper: Ich habe komplett mit der Erwartungshaltung gebrochen. Die musste sterben. Wir haben gesagt, wir machen eine neue, gute Platte, die mit dem Vorgänger nichts zu tun hat. Bis das im Kopf war, waren wir ziemlich angespannt. Außerdem wollte ich bessere, rundere Songs schreiben, statt nur auf die Zeile zum Tätowieren aus zu sein.
Ein Konzeptalbum.
Casper: So war es geplant, ja, aber ich musste Abstriche machen und konnte es nicht so durchziehen, wie ich wollte. Ich will mit einem Album eine komplette Geschichte erzählen.
Wie ein Autor?
Casper: Ähnlich. Tatsächlich wollte ich mal ein Buch schreiben. Nach drei Seiten habe ich es aber aufgegeben.
Nach dem Aufruhr wird es ruhiger, erstmals beim Song „20qm“. Es geht jetzt um Begegnungen. Casper spielt seine große Stärke aus, mit der er in wenigen Sätzen ganze Beziehungen skizzieren kann. „Viel zu lang davor weggelaufen, vor dir wegzulaufen“, „Du und ich, wir sind alles, was ich nicht bin“, „Je voller man sich die Bude stellt, immer leerer der Raum, wenn man sich unterhält.“ Mehr Worte braucht es manchmal nicht.
Findest du, dass es schwierig ist, jemanden zu lieben?
Casper: Das nicht. Aber das Verliebtsein zu halten, ohne dass es abflacht, fällt mir schwer. Ich bin aber auch ein extrem spleeniger Mensch. Wenn die Menschen wüssten, wie ich wirklich bin, wären sie zurückhaltender in Sachen Zuneigung mir gegenüber.
Wie bist du denn?
Casper: Ich habe sehr anstrengende Ticks. Ich bin extrem bipolar, komme gefühlsmäßig schnell von null auf hundert. Ich bin einfach kein einfacher Mensch.
Wie viele verflossene Lieben stecken in den neuen Songs?
Casper: Alles ist autobiografisch. Meistens ist es eine Melange. Bei „20qm“ zum Beispiel sind es drei, vier, fünf Beziehungen, die ich zu einem Gefühl zusammenrühre.
Mit „La Rue Morgue“ passiert es. Die Frau, die Casper beschreibt, mit ihrem „blutroten Mund“ und dem „Blick wie ein Strick“, ist Teil der Erfahrung. Er erkennt jetzt Gefahren. Und was es heißt, sich trotzdem fallen zu lassen. Und schon kann er den Song „Jambalaya“ raushauen, der ihn einfach locker wieder über alle anderen Rapper stellt. „Er darf tun, was er will“, jetzt hat er es, jetzt greift er zu. Und dann, „Endlich angekommen“, gibt es den verdienten Applaus für unseren Helden.
Denkst du, dass du tatsächlich irgendwann mal deinen Platz findest, auch musikalisch?
Casper: Ich hoffe nicht. Dieses Gefühl treibt mich an. Ich will niemals eine Formel für meine Musik finden. Sonst wird es langweilig.