Neues Album von Frittenbude: "Das Hier und Heute ist entscheidend"
Mit „Delfinarium“ perfektioniert das Synthie-Trio Frittenbude seine Mischung aus tanzbarem Techno-Rock und intelligenten Texten.
Düsseldorf. „In 1000 Jahren sind wir Klassik“, prophezeiten Frittenbude 2008 — selbst für den Fall, dass es mit dem Musikerdasein in der Gegenwart nichts werden sollte.
Ein cleverer Ansatz war das. Wer sich kreativ betätigt, kann sich gar nicht dagegen wehren, irgendwann mal als Kunst gewertet zu werden. „Als ich den Text zum ersten Mal gelesen habe, war ich hin- und hergerissen“, sagt Jakob Häglsperger, der elektronische Klangverstärker des Trios. „Wenn man sich selbst als Künstler bezeichnet, hat das was Eitles.“ Dass Texter Johannes Rögner genau diese Attitüde mit seiner ironischen Zukunftsvision aufs Korn nahm, ging Häglsperger erst später auf. „Heute ist es einer meiner Lieblingssongs.“
„Mindestens in 1000 Jahren“, so der Titel dieses Tracks, ist für die Elektro-Rocker von Frittenbude so etwas wie das „Creep“ der britischen Kunst-Popper Radiohead. Also ein Song, der zunächst den Durchbruch bedeutete, letztlich aber das Image so stark prägte, dass der Rest völlig unterzugehen drohte.
Radiohead weigern sich heute, „Creep“ auf ihren Konzerten zu spielen. Frittenbude hingegen sind froh, dass sie „Mindestens in 1000 Jahren“ im Repertoire haben. „Er hat uns Türen geöffnet, die sonst verschlossen geblieben wären“, sagt Häglsperger.
1000 Jahre wollte das Trio, das aus dem niederbayerischen Geisenhausen stammt, mittlerweile aber in Berlin lebt, dann aber doch nicht warten. Von Weitem sieht das Cover ihres dritten Longplayers „Delfinarium“ aus, als sei es aus dem Hause „Deutsche Grammophon“: Band- und Albumname prangen in verspieltem schwarzem Schriftzug auf gelbem Grund. Für Frittenbude hat die Klassikphase begonnen. Und schon beim ersten Hören wird klar: Sie schöpfen aus dem Vollen.
Bislang entstanden bei ihnen Songs eher im Vorbeigehen. Hier ein bisschen getüftelt, dort ein bisschen gedreht, dann während der Tour noch ein wenig verfeinert — heraus kamen Alben, deren einzelne Tracks widerborstig für sich standen und wegen ihrer aggressiven Rhythmik ohnehin nicht für den Nebenbeigebrauch gedacht waren. „Teilweise konnte ich mir das selber nicht zu Hause anhören“, fasst Häglsperger zusammen.
Für das dritte Album sollte alles anders werden: „Wir haben einen Raum gemietet, uns Equipment besorgt und die Wände mit gefährlichem Halbwissen akustisch ausgestattet.“ Holzlatten, Dämmwolle — ein Studio im Do-it-yourself-Verfahren. Überraschend daran: „Delfinarium“ klingt an keiner Stelle provisorisch, zusammengekleistert oder zurechtgeschraubt. Jeder Song ist bis ins Kleinste durchdacht und detailverliebt produziert. Und vor allem: vollendet vertextet. „Alles ist vielschichtiger, verschachtelter, hat einen feinen Hintersinn“, beschreibt Häglsperger die Arbeit seines Bandkollegen Rögner. Es klingt fast ein bisschen zu selbstbewusst. Aber er hat damit absolut recht.
Es sind Songs über ungenutzte Chancen, über anerzogene Ängste, das Überbewerten von Zukunft und Vergangenheit, ohne einen Blick für das Hier und Jetzt zu haben. „Im Endeffekt rennen alle dem großen Glück hinterher“, sagt Häglsperger. „Dabei wiegt das kleine Glück viel mehr.“ Auch der Albumtitel spielt auf diese Tretmühle an. „Jeder von uns fühlt sich ein bisschen wie im Delfinarium“, erklärt Häglsperger. „Wir sind eingesperrt, um die Menschen zu unterhalten.“
Mit Tiermetaphern geizen Frittenbude ohnehin nicht. In allen Albumtiteln („Nachtigall“ (2008), „Katzengold“ (2010), jetzt aktuell „Delfinarium“) geht’s animalisch zu. Und seine Konzertbesucher nennt das Trio Pandas, weil sie mit dunklen Augenrändern erwartungsfroh, aber auch leicht schwerfällig vor der Bühne stehen. „Es ist eine alte Indiander-Weisheit“, sagt Häglsperger, „man muss das Tier im Menschen sehen.“