Neues Album von Ian Anderson: Klingt wie damals — einfach gut
Ian Anderson veröffentlicht am Freitag die CD „Thick as a Brick 2“.
Düsseldorf. Was ist eigentlich aus dem kleinen, dicken Gerald Bostock geworden? Der Legende nach hieß so der zehnjährige Schüler, der seine frühpubertären Text-Ergüsse an die Rockgruppe Jethro Tull schickte. Die machte 1972 daraus das Nummer-Eins-Konzeptalbum „Thick as a Brick“. Die Mischung aus zart melodiösen Querflöten-Passagen, donnerndem Rock und knalligem Schlagzeug haben nicht nur Fans bis heute im Ohr.
40 Jahre lang hat Ian Anderson, der Kopf der Band, gelegentlich in Interviews einen Satz über den fiktiven schreibbegabten Gerald fallen lassen. Ansonsten sympathisierte er in den 1980er Jahren mit der Politik von Margaret Thatcher und Ronald Reagan und betrieb in den 1990er Jahren erfolgreich Lachsfarmen in Schottland. Und auch Rocker lernen, dem Alter Tribut zu zollen: Seit einer Thrombose während eines Langstreckenflugs propagiert er auf seiner Internetseite das Tragen von Stützstrümpfen.
Musik machte Anderson auch, tourte mit seiner komplett umbesetzen Combo durch mittlere Hallen und spielte die Hits von früher. Das letzte neue und nicht sonderlich erfolgreiche Tull-Album erschien 1999: „Dot Com“.
Heute gibt der 64-Jährige eine Antwort darauf, was aus dem traurigen Gerald geworden sein könnte. Am Freitag erscheint die CD „Thick as Brick 2“, auf der er eine ganze Reihe von Lebensentwürfen durchgeht: Gerald, der Banker, der Obdachlose, der Soldat und der ganz normale Mann, der abends mit seiner Modelleisenbahn spielt.
Musikalisch ist das Album eine Überraschung: Anderson versucht nicht einmal, den alten Sound modisch zu übertünchen. Er bleibt ungerührt bei seinen dynamischen Rockarien, bei den abrupten Tempus-Wechseln — das traut sich heute sonst keiner mehr. In diese Musik dringt kein synthetischer Beat, kein digitaler Effekt. Hier hört man Flöte und akustische Gitarre, Glockenspiel und Flügelhorn, gelegentlich eine Kirmesorgel. Klingt nicht neu, aber völlig souverän und geht gut ins Ohr.
Selbstironie kann Anderson aber auch. Das Cover ist wieder als Lokalblatt von St. Cleve gestaltet, inklusive der Ankündigung eines Konzerts, das der „alternde Rockstar“ Ian Anderson im Gemeindezentrum gibt.