Neues Bruce Springsteen Album: Rau und zart — der Boss überrascht
Am Freitag veröffentlicht Bruce Springsteen mit „High Hopes“ sein 18. Studio-Album und legt damit ein ungewöhnliches Werk vor.
Düsseldorf. Eine andere Gitarre, ein anderer Rhythmus. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die die Stimmung eines Liedes komplett verändern. Bruce Springsteen macht das live immer wieder mit seinen Songs. Jetzt auch auf einem Album. Das heißt „High Hopes“ und ist sein 18. Studio-Album, auf dem er eigene Stücke radikal neu arrangiert, bisher unveröffentlichtes Material herauskramt und Cover-Songs einflechtet. So ein Springsteen-Album gab es noch nie.
Der Januar ist ein Spring-steen-Monat. Gerne gewählt für Neu-Veröffentlichung. Wie vor 41 Jahren, als sein Columbia-Debüt „Greetings from Asbury-Park“ erschien. Vor einem Jahr startete Springsteen seine Australien-Tour. Das Besondere: Gitarrist Steve van Zandt fehlte. Ihn vertrat Tom Morello, Kopf der Polit-Rocker Rage against the Machine, an der Gitarre. Der Anfang von „High Hopes“. Morello hatte als Gast immer wieder Springsteen und dessen E-Street-Band auf den Bühnen dieser Welt einen Besuch abgestattet. Der Song „The Ghost of Tom Joad“ ist exemplarisch für die Kooperation. Morellos fiebriges Gitarrenspiel — roh, rau und rotzig — hat die an sich lyrisch-nachdenkliche Erzählung in eine explosiv-lärmende Rock-Nummer gehievt. „Er ist meine Muse“, sagt Springsteen über ihn. „Tom hat das Projekt auf ein neues Level gehoben.“
Vor allem im Januar 2013. Morello hatte angeregt, das Stück „High Hopes“ (Große Hoffnungen) ins Programm zu nehmen. Springsteen hatte diese Nummer 1996 schon einmal veröffentlicht. War das Stück des Komponisten Tim Scott McDonnell da noch eine Folk-Nummer, drängt sie nun scheppernd und gitarrengetrieben rasanter voran.
Noch ein Cover ist den Tramps, wie sich die Spring-steen-Anhänger nennen, keinesfalls unbekannt: „Dream Baby Dream“ vom Elektro-Duo „Suicide“. Bei der „Devils & Dust“-Tour 2005 beendete Springsteen damit an der Pump Organ seine Konzerte. Nun in der Studio-Version macht der Boss das Lied zu seiner eigenen Hymne. Ein zarter Höhepunkt des Albums.
Aggressiv und zeitlos: Das ist „American Skin (41 Shots)“, in dem Springsteen die Tötung eines schwarzen Jungen in New York durch Polizisten thematisiert. 2001 erschien das Stück bereits auf einem Live-Album, nun erstmals in einer bemerkenswerten Studio-Fassung. Dazu trägt wesentlich Morellos wütende Arbeit bei.
„High Hopes“ bietet auch neue Musik, die noch nicht auf Bühnen zu sehen war. „Das ist Musik, von der ich immer fühlte, dass sie veröffentlicht werden muss“, sagt Springsteen über Lieder wie „Harry’s Place“ oder „Frankie fell in Love“. „Songs, die zum Besten gehören, was ich in der vergangenen Dekade geschrieben habe.“
Es sind großartige Spring-steen-Songs, die ein Treffen mit den verstorbenen E-Streetern Clarence Clemons (Saxophon) und Danny Federici ermöglichen. Dessen Orgelspiel auf „Down in the Hole“ gehört zu den berührendsten Momenten des Albums. Im Arrangement an „I’m on Fire“ erinnernd, fließt der Song dahin, Clemons tröpfelt Sax-Momente hinein. Im Hintergrund singen nicht nur Springsteen-Gattin Patti Scialfa, sondern auch die gemeinsamen Kinder Evan, Jessie und Sam.
„High Hopes“ ist eine Sammlung markanter Lieder, kein Springsteen-Album, das einer Idee folgt. Es ist ein Stück-Werk. Eine Zwischenstation — vor der „echten“ neuen Studio-Platte aus dem Hause Springsteen. Die kommt sicher, denn der Boss schreibt immer an neuen Songs — wahrscheinlich gerade in diesem Moment. Vielleicht zwischen zwei Promo-Terminen für „High Hopes“.