Licht und Schatten Perfekt gestylt, aber seelenlos: Castelluccis „Tannhäuser“
München (dpa) - Beifall für die Sänger, Buhrufe für den Regisseur und viele Rätsel: An der Bayerischen Staatsoper in München hat am Sonntag eine Neuinszenierung von Richard Wagners „Tannhäuser“ Premiere gefeiert.
Musikalisch war die Aufführung unter Generalmusikdirektor Kirill Petrenko überzeugend: der Wagner-Tenor Klaus Florian Vogt erstmals als stimmgewaltiger Tannhäuser, Anja Harteros als seine Angebetete Elisabeth und Bariton Christian Gerhaher, großartig in der Rolle ihres Verehrers Wolfram von Eschenbach.
Kopfzerbrechen bereitete dagegen die Inszenierung von Romeo Castellucci. Seine Bühnenbilder wirkten zu steril, um den Widerstreit zwischen Sinnlichkeit und tugendhafter Liebe, zwischen Leidenschaft und Anbetung, erlebbar zu machen.
Castellucci kommt aus der Kunst. In Bologna hat der Italiener Bühnenbild und Malerei studiert. Die große Bühne der Staatsoper nutzt er für beeindruckende Bildkompositionen. Viel Weiß und Schwarz, dazwischen Blutrot und etwas Goldglanz. Bilder, die mit Licht und Schatten spielen, dabei aber so perfekt durchgestylt sind, dass sie eine seelenlos wirkende Umgebung erzeugen, in der die Sänger trotz ihrer großartigen Darbietungen - von leiser Wehmut bis hin zu wildester Leidenschaft - seltsam verloren wirken.
Die Venusgrotte ist kein paradiesischer Ort der Wollust, eher das Innere von Eingeweiden. Venus, gesungen von Elena Pankratova, hockt als blässlicher Fettklumpen auf einem Berg aus hautfarbenen Leibern ohne Kontur, die sich winden und von zähem Schleim bedeckt sind. Ewige Zeiten hat Tannhäuser hier schon verbracht, „zu viel, zu viel“, wie er selber singt. Dass er hier weg will, wundert nicht.
Im Kontrast dazu: Die tugendhafte, unerreichbare Elisabeth, die er anbetet. Um sie zu sehen, kehrt Tannhäuser auf die Wartburg zurück. Mit Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide (Dean Power) und anderen nimmt er an einem Sängerwettstreit teil. Sie sollen das Wesen der Liebe ergründen, verlangt der Landgraf von Thüringen, großartig gesungen von Georg Zeppenfeld. Dabei kommt heraus, dass Tannhäuser im verruchten Venusberg war. Eine entsetzliche Sünde, die er mit einer Wallfahrt nach Rom büßen soll. Der Papst verweigert die Vergebung und so beschließt Elisabeth, sich für das Heil ihres geliebten Tannhäusers zu opfern.
Die Neuninszenierung orientiert sich in weiten Strecken an der Wiener Fassung von 1875. Wagner hatte seine 1845 uraufgeführte Oper immer wieder überarbeitet. Die Inszenierung aus Wien war die letzte, die er vor seinem Tod 1883 noch betreut hatte. Castellucci erweist dem 19. Jahrhundert kleine Referenzen, etwa wenn Mädchen mit Blütenkränzen im Hintergrund erscheinen.
Gleichzeitig gibt es viele Symbole, deren Sinn oft nicht einleuchtet und bei denen nicht immer klar ist, ob sie ironisch gemeint sind oder nur unfreiwillig komisch wirken. Etwa am Ende, wenn Tannhäuser von seiner ergebnislosen Pilgerfahrt zurückkehrt. Dramatisch hebt er an, Wolfram von der Reise nach Rom zu erzählen, beeindruckend gesungen von Vogt. Der Tod ist allgegenwärtig, das verdeutlichen zwei Sarkopharge, auf denen zwei Leichen liegen. Während gesungen wird, wird im Hintergrund ihre Verwesung dargestellt. Sie laufen blau an, verfärben sich braun, blähen sich auf und werden zum Gerippe, bis am Ende nur noch Staub übrig ist. Alles nachvollziehbar, doch worin liegt der Witz, wenn auf den Sarkophagen die Namen „Klaus“ und „Anja“ stehen?
„Es wird kein definiertes Ambiente geben, das man zeitlich oder räumlich verorten kann. Es werden Seelen-Landschaften sein“, hatte Castellucci vor der Premiere erklärt. Geht es nach Castellucci, sieht es in diesen Landschaften ziemlich trist aus. Lust ist eklig, wahre Liebe ist unerfüllbar und am Ende zerfallen ohnehin alle zu Staub.