Peter Plate von Rosenstolz: „Wir mussten uns selbst reinlegen“
2009 gaben Rosenstolz bekannt, dass Peter Plate eine Auszeit braucht. Mit einer neuen Platte probiert das Duo nun ein Comeback, tourt aber erstmal nicht live.
Berlin. Peter Plate, mit Rosenstolz haben Sie in 20 Jahren alles erreicht, was man hierzulande als Musiker erreichen kann. 2009 legten Sie jedoch eine Pause ein. Beginnt jetzt eine neue Ära für Rosenstolz?
Peter Plate: Eindeutig ja. Im Unterschied zu den vergangenen zehn Alben hatten wir diesmal keinen Veröffentlichungstermin, keine Tourankündigung, keinen Druck. Dieses Album ist in aller Ruhe entstanden. Es war super.
Wollen Sie damit sagen, dass es früher nicht immer super war?
Plate: Bei „Herz“ und „Das große Leben“ war es auch super, bei „Die Suche geht weiter“ leider nicht mehr, weil wir uns übernommen hatten. Die Plakate waren bereits in Druck, aber mit dem Album war ich nicht wirklich zufrieden, und die Tour kam viel zu schnell. Künstlerisch war ich in einer Krise, ich wusste nicht, was ich noch texten sollte. Um es kurz zu machen: Da half nur eine Pause.
Was genau war das Problem?
Plate: Der Arzt meinte Burn-out, und dann fragt man sich, was das eigentlich ist. Es gibt gar keine Krankheit namens Burn-out. Ich war einfach nur total alle, chronisch erschöpft, nichts lief mehr richtig. Wir wollten eh eine Pause machen. Die kam dann halt ein halbes Jahr zu früh. Klar lernt man auch etwas in so einer Zeit. Zum Beispiel, dass ein Handy einen Ausschalt-Knopf hat. Ich habe beschlossen, dass Rosenstolz für mich am Wochenende nicht mehr stattfindet.
War Ihnen aufgefallen, dass mit Peter etwas nicht stimmte, AnNa?
AnNa R: Wir standen alle völlig unter Stress. In dem Moment achtet man nicht mehr so doll aufeinander. Uns beiden war schon klar, dass wir dringend eine Pause brauchten, deswegen hatten wir sie für später auch geplant. Aber man guckt in dem Moment einfach nicht so genau hin. Hätten wir das getan, hätten wir wahrscheinlich von vornherein viel mehr abgesagt.
Und deswegen geben Sie vorerst keine Konzerte?
AnNa R: Wir wollen ja nicht gleich wieder umfallen. Man muss sanft wieder einsteigen. Wenn wir eine Tour bekanntgeben, wollen wir die natürlich auch machen. Würde es gleich wieder losgehen, wäre der nächste Crash vorprogrammiert. Nachts habe ich manchmal eine bestimmte Songzeile im Kopf, die sich in einer Endlosschleife wiederholt. Und die hämmert mir dann die Schädeldecke weg. Das ist die Hölle. (lacht)
Wann haben Sie gespürt, dass die Zeit reif ist für ein neues Album?
AnNa R: Peter fing eigentlich recht schnell wieder an zu schreiben und präsentierte mir nach und nach seine Ideen. Anfangs war jedoch überhaupt nicht klar, dass es zwangsläufig ein Album werden muss. Als Band will man einerseits erkennbar bleiben, andererseits auch Neues wagen.
Wie bewältigen Sie diesen Spagat?
Plate: Ganz sicher durch die Texte. Ich habe seit 20 Jahren Annas Stimme im Kopf. Irgendwann hatte ich das Gefühl, die Geschichten für sie sind zu Ende erzählt. Ich wusste nicht mehr weiter. Um da wieder rauszukommen, mussten wir uns selber reinlegen. Wir haben Ideen entwickelt und herumexperimentiert, ohne zu wissen, was daraus wird. Auf einmal wurde es eine Platte. Ein schöner Selbstbetrug.
Peter, nach 20 Jahren haben Sie sich von Ihrem Lebenspartner Ulf Leo Sommer getrennt, der auch als Produzent, Komponist und Texter für Rosenstolz tätig ist. Wie haben Sie es geschafft, dass die Band daran nicht zerbrochen ist?
Plate: Ulf und ich haben gemerkt, dass wir nicht mehr zusammen in einem Raum sein konnten. Wir mussten einfach mal loslassen. Ich bin dann für ein Jahr in eine Wohngemeinschaft nach Tottenham gezogen, nur mit Koffer und Keyboard. Meine Mitbewohner waren eine Polin, ein Grieche und ein Waliser, die natürlich nicht wussten, wer ich bin. Dieses Ausklinken hat mich — neben dem Liederschreiben — gerettet.
Was hat London für Sie verändert?
Plate: Ich habe viele kleine Macken, zum Beispiel eine leichte Klaustrophobie. In London habe ich dann U-Bahn-Fahren gelernt. Zuerst war ich klitschnass geschwitzt und musste mich übergeben. Aber mit der Zeit wurde es einfacher. Inzwischen kann ich es alleine.
Tottenham im Norden Londons hat als Ausgangspunkt der gewaltsamen Ausschreitungen eine unrühmliche Bekanntheit erlangt. Warum gingen Sie für Ihr Sabbatjahr ausgerechnet dorthin?
Plate: Ich wollte in keine Schickimicki-Gegend. Erschreckend ist aber, dass man in Tottenham als Schwuler nicht Hand in Hand durch die Straßen spazieren kann. Es gibt also noch viel zu tun. Als wir vor 20 Jahren anfingen, waren die Rechte von Schwulen und Lesben minimal. Jetzt ist es immer noch nicht ideal, aber es hat sich doch einiges getan: Es gibt schwule Bürgermeister, sogar in der CDU. Ich bin ein gnadenloser Optimist, ich habe immer die Hoffnung, dass man etwas verbessern kann.