Pianist Igor Levit: „Ruhe ist nichts für mich“
Düsseldorf. Der Pianist Igor Levit mag so gut wie alles, was auf den Tisch kommt, aber noch längst nicht jeden Komponisten.
Herr Levit, von einem Konzert in Ravenna reisen Sie ohne Pause zum Gastspiel der Düsseldorfer Symphoniker nach Warschau, dann geht es gleich weiter nach Rom. Nur zu Hause in Hannover sind Sie selten: Sehnen Sie sich ab und zu nach Ruhe?
Levit: Überhaupt nicht. So etwas wie ein Abschottungs-Moment ist mir fremd. Absichtlich herbeigeführte Ruhe würde mir Angst machen. Ein Urlaub mit zwei Wochen Stille wäre für mich der Horror!
Kann denn Jetlag für einen Profi-Solisten trotzdem zum Problem werden?
Levit: Ich bin wohl mit dem Glück gesegnet, dass mir Zeitverschiebungen nicht viel ausmachen.
Reisen Sie nur, um aufzutreten, oder reizt Sie auch die kulturelle Vielfalt?
Levit: Was mich besonders interessiert, ist das lokale Essen. Ich kann Leute nicht verstehen, die nach Italien reisen und in ein chinesisches Lokal gehen. Ich bin auf dem Gebiet der Kulinarik sehr experimentierfreudig. Ich habe mir einmal von einem Hotel-Concierge in China ein Restaurant empfehlen lassen, wo garantiert keine Touristen anzutreffen sind. Auf der Speisekarte konnte ich natürlich nichts lesen. Ich habe dann willkürlich mit dem Finger auf ein paar Sachen getippt und war gespannt, was da kam.
Keine Angst vor bösen Überraschungen?
Levit: Nein, ich esse einfach alles (lacht). Oder fast alles. Champagner mag ich nicht so sehr, auch keine Trüffel.
Mut beweisen Sie auch bei der Programm-Gestaltung. Sie spielen am 11. Mai in Essen alle zwölf Transzendental-Etüden von Franz Liszt und dann noch die ungemein vertrackten zwölf Etüden Claude Debussys, also zwei Stunden höchste technische Ansprüche als Parforceritt. Lieben Sie große Herausforderungen?
Levit: Der Grund ist: Ich breche ungern Zyklen auf. Die zwölf Etüden von Liszt sind als große Werkeinheit musikalisch viel stärker und zwingender, als wenn man sie einzeln spielt. Eine Liszt-Etüde im luftleeren Raum wirkt nur effekthascherisch. Das Gleiche gilt auch für die Debussy-Etüden, die als Zyklus viel bedeutender sind als aufgebrochen.
Auch die sind enorm schwierig.
Levit: Die Etüden von Debussy sind schon viel beschaulicher als die von Liszt, die wirklich etwas von Selbstgeißelung haben.
Warum spielen Sie kaum etwas von dem populären Klavier-Komponisten Frédéric Chopin?
Levit: Chopin spiele ich gar nicht! Es ist gewiss geniale, wunderbare Musik, aber nicht die musikalische Sprache, in der ich mich pianistisch artikulieren kann.
Mozart mögen Sie auch nicht?
Levit: Ich spiele auch keinen Mozart, obwohl ich seine Musik liebe. Ihn spiele ich schon deshalb nicht, weil er auf modernen Konzertflügeln nicht gut klingt — auf historischen Instrumenten will ich aber nicht spielen. An Mozarts eigentlich nicht sehr schwierigem a-Moll-Rondo bin ich einmal schrecklich gescheitert. Es ist eins meiner liebsten Stück, aber beim Spielen merkte ich mit Schaudern, dass meine Darbietung nichtssagend klang.
Warum gibt es von Ihnen trotz internationaler Erfolge keine CD?
Levit: Da gehe ich ganz unaufgeregt dran. Das wird schon noch kommen, hat aber keine Eile.
Und wenn es mal soweit ist: Mit welcher Musik würden Sie gerne debütieren?
Levit: Es würde sich um ein großes klassisches Werk handeln, das ich liebe und das genau auf eine CD passt. Nun ja, jetzt habe ich es eigentlich schon verraten. Also: Die „Diabelli-Variationen“ von Beethoven könnte ich mir gut dafür vorstellen.