Plötzlich Pop: Delta Spirit und TV On The Radio

Berlin (dpa) - Die Wandlung zu einer waschechten Pop-Band war weder von Delta Spirit noch von TV On The Radio so drastisch zu erwarten. Aber sie hat definitiv stattgefunden, wie die neuen Platten dieser US-Bands jetzt beweisen.

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DELTA SPIRIT aus San Diego kommen eigentlich aus der Americana-, Alternative-Country- oder Folkrock-Ecke. Seit ihrem noch sehr rustikalen Debütalbum „Ode To Sunshine“ (2008) entwickelten Sänger/Gitarrist Matt Vasquez und seine vier Mitstreiter ihren Sound in Richtung eines dynamischen Indierocks weiter, mehrere Songs wurden aufgrund zunehmender Eingängigkeit in Filmen und Fernsehserien verwendet. Allerdings war die Musik des Quintetts nie so glatt, dass man sie beim Pop-Mainstream einordnete - gerade auch das mit dem Bandnamen betitelte dritte Studioalbum von 2012 ließ deutlichen Formanstieg erkennen.

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Ob die recht glatten, von üppigen Keyboard-Arrangements und fetten 80er-Jahre-Drums dominierten Songs von „Into The Wide“ (Dualtone/Rough Trade) nun der Weisheit letzter Schluss für Delta Spirit sind? Sie dürften die Anhängerschaft spalten. Die Melodien sind oft hymnisch wie bei U2 oder gar mitsingbar wie bei Bryan Adams („Shelter“), die Balladen scheuen nicht immer das Klischee („Hold My End Up“ mit mächtiger Orgel, der ebenso bombastische Titelsong) - ohne dass man dies nun komplett verabscheuen müsste.

Dazu ist Vasquez ein zu guter Sänger, die Band letztlich doch zu stilsicher - vor dem ganz tiefen Griff in die Kitschkiste schrecken Delta Spirit meist (noch?) zurück. Ein Übergangs-Album also für die Südkalifornier - vor dem Abmarsch in die Hitparaden-Karriere oder einer reumütigen Rückkehr zu den Folkrock-Roots.

TV ON THE RADIO haben einen noch weiteren Weg hinter sich - von den New Yorker Avantgarde-Zirkeln der frühen Nuller-Jahre über die breite Akzeptanz als Indierock-Vorreiter inklusive Promi-Fans bis zum neuen Soulpop-Studiowerk „Seeds“ (Harvest/Universal). Der Krebstod des Bassisten Gerard Smith nach der Veröffentlichung des Vorgängers „Nine Types Of Light“ (2011) zwang die Band zur Pause und Neuorientierung, Band-Boss David Sitek stürzte sich in diverse Nebenprojekte und Produzentenjobs. Mit den „Seeds“-Liedern klingen TVOTR (so die allgemein gebräuchliche Abkürzung des komplizierten Bandnamens) nun so zugänglich wie noch nie.

Was auch in diesem Fall nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss, denn natürlich beherrschen die vier verbliebenen Bandmitglieder um Sitek und den tollen Sänger Tunde Adebimpe auch Pop in Großbuchstaben. Manche nette Harmlosigkeit wie „Right Now“ mal ausgenommen, fliegen TVOTR auch weiterhin intelligente, griffige Grooves zu, etwa im sich langsam aufbauenden Opener „Quartz“, im Punkfunk-Kracher „Lazerray“ oder im verschleppten Midtempo-Song „Trouble“.

Die neuen Lieder sind insgesamt viel weniger kantig und verzerrt als früher bei TVOTR üblich, sie erinnern stattdessen in punkto Stimmung und Stimme nicht selten an Peter Gabriels künstlerisch wie kommerziell höchst erfolgreiche „Sledgehammer“-Phase vor knapp 30 Jahren. Ob nun geplant oder nicht: Mit dem ungewohnt leichtfüßigen Indiepop-Album „Seeds“ könnte diese klassische Frickel- und Denker-Band ein heißes Thema für die Charts werden.