Po-puläres Jahr: Hype um den Hintern im Musik-Geschäft
Frankfurt/Main (dpa) - Nackte Haut, wackelnde Pobacken und ein üppiger Busen: Das Motto „Sex sells“ ist im Musik-Geschäft eine Binsenweisheit. Doch im vergangenen Jahr haben nicht einfach nur nackte Tatsachen gezählt - im Pop-Business kam es vor allem auf den Allerwertesten an.
Wer unter den weiblichen Musikern im vergangenen Jahr mitmischen wollte, der musste seinen Hintern in Szene setzen. Die britische Zeitung „The Guardian“ erkor das Jahr 2014 deshalb zum „Year of the booty“.
Reihenweise räkelten sich Pop-Divas wie Beyoncé oder die Latino-Sängerin Jennifer Lopez in ihren Videos knapp bekleidet vor der Kamera und hielten ihren Po vor die Linse. Und das mit Erfolg: Mit den Songs, begleitet von ihren zur Schau gestellten Rundungen, führten Musikerinnen wochenlang die Spitze der amerikanischen Charts an.
Allein der seit September auf YouTube laufende Teaser zum Lied „Booty“ bescherte dem gemeinsamen Video von Iggy Azalea und Jennifer Lopez bis heute über elf Millionen Klicks. Im Vergleich zu Nicki Minajs Musikvideo scheint dies fast bescheiden: Nur 24 Stunden nach der Veröffentlichung ihres Clips „Anaconda“ twitterte die Sängerin, sie habe mit 20 Millionen Klicks einen Rekord aufgestellt. Zwei der Po-Lieder - „All about that Bass“ von Meghan Trainor und „Shake it off“ von Taylor Swift - sind in diesem Jahr für einen der wichtigsten US-amerikanischen Musikpreise nominiert, den Grammy Award.
Aber nicht nur optisch spielte der Po eine Rolle. Auch in den Liedtexten ging es 2014 „rund“ zu: Die Damen sangen Hymnen auf ihren Hintern. Minaj forderte in ihrem Lied „Anaconda“ ihre Zuhörer auf, alle Augen auf den Allerwertesten zu richten. In ihrem Lied „Booty“ besang Latino-Star Jennifer Lopez im Glitzer-Einteiler die „große Beute“ - wie sie den Po im Text bezeichnete.
Nicht nur afro- oder lateinamerikanische Sängerinnen wie Lopez, Beyoncé oder Minaj machten mit, auch Porzellanteint-Blondine Meghan Trainor besang in ihrem Lied „All about that Bass“ das Comeback des kurvigen Körperteils. Ebenso ihre Pop-Kollegin Iggy Azalea, die ihren halbnackten Allerwertesten an der Seite von Lopez präsentierte.
Die Faszination des Pos ist für den Soziologen Christian Steuerwald von der Universität Mainz kein neues Phänomen. „Den Trend gab es früher auch. Gerade in Afrika und Südamerika ist er schon immer extrem attraktiv“, sagt Steuerwald. Was in der afroamerikanischen Kultur schon lange als Schönheitsideal gezählt habe, fänden nun zunehmend weiße Frauen aus der Musik-Branche gut.
Der provokante Tanzstil „Twerking“, bei dem die Hüfte kreisend zur Musik schwingt und kräftig mit dem Po gewackelt wird, macht das deutlich. In den Schlagzeilen landete dieser Trend vor allem wegen der Sängerin Miley Cyrus, die bereits 2013 mit ihrem Po-Gewackel einen Skandal auslöste. Doch nicht jeder Hintern ist automatisch ein Hingucker. „Es geht besonders um die perfekte Form“, erklärt der Soziologe. Statt klein und fein, zählen nun dicke und runde Hinterteile - gerade im Bereich HipHop und Soul.
Ist der Magerwahn nun also Geschichte? Glaubt man den Worten der Sängerin Taylor Swift, dann ja. In ihrem Lied „Shake it Off“ schickt sie alle Männer in die Wüste, die von ihr das Aussehen einer „spindeldürren Silikon-Barbie“ verlangen. Auch Entertainment-Experte Thomas Hankel von der Kommunikationsagentur Torpedo Leipzig spricht von einem Umdenken in der Gesellschaft. „Früher war der dicke Hintern im Musik-Business nicht en vogue, heute ist er salonfähig“, sagt Hankel. Frauen hätten ein neues Selbstbewusstsein.
Doch auch wenn Polster auf den Hüften Emanzipation und Musikgeschäft ankurbeln, findet Hankel kritische Worte für den Trend: „In den Liedern geht die Message verloren“, sagt er. Dem Text komme immer weniger Bedeutung zu. Stattdessen ersetze die sexuelle Inszenierung von Körperteilen den Inhalt.
Fakt ist aber: Der Po-Trend hat sich herumgesprochen und das sogar bis in die sonst so kritische Modewelt. Der dicke „Booty“ war 2014 im Gespräch, selbst die US-amerikanische „Vogue“ schrieb von der „Ära des dicken Hinterns“. Nun bleibt nur die Frage, wie lange diese andauert.