Pop-Nuggets-Nachlese 2013
Berlin (dpa) - Die Highlights des Musikjahres 2013 wurden bereits ausführlich beschrieben, die Bestenlisten sind schon fast Makulatur. Doch manche Pop- und Rock-Nuggets glänzen erst mit Verspätung. Hier sind einige davon...
Auf den Spuren des Altmeisters: ISRAEL NASH GRIPKA
Fans von Neil Young mussten nach dessen Wunderwerk „Psychedelic Pill“ (2012) nicht allzu sehr darben. Denn was der inzwischen im ländlichen Texas beheimatete Alternative-Country-Rocker Gripka auf seinem epischen Album „Israel Nash's Rain Plans“ (Loose/Rough Trade) zustande brachte, das war nicht weniger als die schönste Huldigung für den Altmeister seit Ewigkeiten. Eine Americana-Platte aus einem Guss, mit raumgreifenden Gitarren-Exkursionen und einem Seventies-Westcoast-Flair, wie es dieses Jahr nur der ähnlich traditionsbewusste US-Kollege Jonathan Wilson beschwor. Auch die Vocals kamen in den neun Songs Youngs Stimme so nah, dass man den lang erhofften Teil drei von „Harvest“ zu hören glaubte. Folkrock lebt, auch jenseits modischer junger Bart-Bands wie Mumford & Sons.
Die Suche nach dem perfekten Folkpop: THE SILVER SEAS
Der bittersüß-melancholische Folkrock dieser sympathischen US-Band um die Multi-Instrumentalisten Daniel Tashian und Joe Pisapia hat hierzulande unverdientermaßen noch kaum Eindruck hinterlassen. Dabei schaffte es das Quartett aus Nashville mit „Alaska“ (Rykodisc/Warner) schon zum wiederholten Mal, in zehn prächtigen Liedern die Welt für eine gute halbe Stunde zu einem besseren Ort zu machen. Dies sei nun ihre Country-Platte, teilten The Silver Seas mit - aber abgesehen von etwas mehr Banjo und Steelgitarre dominierten auch hier wieder die von sanften Stimmen gesungenen Softpop-Melodien, ganz wie auf den Vorgängern „High Society“ (2007) und „Chateau Revenge“ (2010). Wer sich übrigens bei „Roxy“ an den Folkpop-Sensibilisten Josh Rouse erinnert fühlte, lag richtig: Der hat an diesem Lied mitgeschrieben.
Sehr britisch - und brillant: THE ELECTRIC SOFT PARADE
Vor der klassischen britischen Popmusik verbeugte sich voriges Jahr niemand so tief wie das Brüder-Duo Thomas und Alex White aus Brighton auf seinem vierten Album „Idiots“ (Helium/Rough Trade). Die zehn - dem Plattentitel zum Trotz - intelligenten Lieder weckten schönste Erinnerungen an Sixties-Ikonen (Beatles, Zombies, Kinks), aber auch an den etwas jüngeren Schlaumeierpop von der Insel (Aztec Camera, Prefab Sprout, XTC, Blur). Man hatte The Electric Soft Parade nach einigen eher ziellosen Werken schon abgeschrieben - zu früh. Und auch wenn das neue Album durchaus passend mitten im Sommer erschien, funktionieren Songs wie „Mr. Mitchell“ oder „One Of Those Days“ als akustische Wärmedecken im Winter fast noch besser. Das abschließende „Never Again“ wollen wir also nicht wörtlich nehmen.
Überraschend nah am (Indiepop-)Mainstream: OF MONTREAL
Immer kryptischer war der knallbunte Psychedelic-Pop des Projekts von Kevin Barnes zuletzt geworden, so dass selbst aufgeschlossene Of-Montreal-Fans kaum mehr folgen konnten oder mochten. Beim Anhören des wiederum schräg betitelten, aber durchaus ohrenfreundlichen Werks „Lousy With Sylvianbriar“ (Polyvinyl/Cargo) machte sich Erleichterung breit: Der Mann kann ja doch noch zugängliche Melodien schreiben, die zwar mit dem Indie-Mainstream (ja, sowas gibt es längst) weiterhin nichts zu tun haben, aber immerhin auch ohne bewusstseinserweiternde Substanzen funktionieren. Einen Teil des Charmes der elf vibrierenden Pop- und Glamrock-Songs im Stil der 60er/70er Jahre machte die Mitwirkung der jungen Rebecca Cash aus, die mit „Raindrops In My Skull“ sogar einen starken Leadvocal-Auftritt hatte.
Bezaubernde Miniaturen: THE NATIONAL JAZZ TRIO OF SCOTLAND
Sowohl Bandname als auch Albumtitel führten in die Irre: Das National Jazz Trio Of Scotland machte keinen Jazz, es handelte sich nicht um ein Trio, und „Standards“ (Karaoke Kalk) wurden auf dem zweiten Werk der Truppe auch nicht geboten (immerhin: der Pianist und Frontmann Bill Wells ist Schotte). Die 13 Song-Miniaturen erinnerten vielmehr an die harmonieseligen Easy-Listening- und Bossa-Hits der 60er und 70er Jahre, an Burt Bacharach oder The Carpenters. Viel Klavier, etwas Gitarre und die Mädchenstimmen von Lorna Gilfedder, Aby Vulltany und Kate Sugden: Aus diesen Ingredienzen schuf Wells einen arglosen Zuckerwatte-Sound, der die geistesverwandten Belle & Sebastian oder The Pearlfishers wie Hardrocker wirken ließ. Zarter und bezaubernder klang Retro-Pop in diesem Jahr nie.
Konzertdaten Of Montreal: 26.2. Fribourg (CH), 27.2. München, 28.2. Heidelberg, 1.3. Berlin, 6.3. Hamburg.