Rainald Grebe: „Ich brauche einfach dieses Chaos.“
Berlin (dpa) - „In Berlin kann man so viel erleben, in Brandenburg soll es wieder Wölfe geben“ - Rainald Grebe ist für seinen bissigen Humor bekannt.
In seinem neuen Programm „Berliner Republik“ nimmt der Liedermacher und Kabarettist Deutschland im Wahl-Herbst 2013 unter die Lupe. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa erzählt der 42-Jährige von chaotischen Proben und der Angst vor Stille im Publikum.
Frage: Herr Grebe, am 17. Dezember hat Ihr neues Bühnenprogramm Premiere. Wen oder was nehmen Sie sich diesmal vor?
Antwort: Ganz grob gesagt geht es um das Private und den Staat. „Berliner Republik“ zeigt die Welt, in der wir im Moment leben. Eine Art Zustandsbeschreibung. Wir versuchen, die Stimmung dieses Herbstes einzufangen und in unser Programm zu gießen.
Frage: Wie fängt man die Stimmung ein?
Antwort: Ich bin so eine Art Umwälzpumpe, ich sauge alles an und verarbeite das. Alles, was ich lese und höre, fließt mit ein. Manchmal denke ich, das ist so eine Art Spiegel-Online-Liedermacherei. Das Programm entsteht erst während der Probenphase. Tagsüber probieren wir hier, nachts schreibe ich Lieder und Texte. Alles entwickelt sich innerhalb weniger Wochen.
Frage: Warum schreiben Sie die Songs nicht vorher?
Antwort: Ich habe das auch schon anders gemacht. Aber ich glaube, ich brauche einfach dieses Chaos. So entstehen die besten Sachen. Ich werfe meist nur eine Grundidee rein, manchmal nur eine Strophe oder einen Refrain. In den Proben schaue ich, was da kommt. Und dann hat plötzlich der Gitarrist eine Idee für eine tolle Melodie. Und dann muss ich mich wieder hinsetzen und ganz andere Texte schreiben.
Frage: Was fließt von den Koalitions-Verhandlungen mit ein?
Antwort: Das Gefühl, dass die großen Schlachten geschlagen sind. Es geht nur noch ums Geld. Um die Maut, den Straßenbau oder fünf Euro mehr Rente. Einer unserer Songs heißt „im Kokon“. Er beschreibt dieses mulmige Gefühl: Hier ist es schön, unsere Spareinlagen sind sicher. Drumherum an den Rändern ist das Chaos. Lampedusa, Italien und die spanische Jugend. Aber hier ist so die Arche Noah. Das muss man irgendwie bunkern und unterm Rock von Mutti zusammenkommen.
Frage: Wie reagieren Sie als Kabarettist auf die NSA-Spähaffäre?
Antwort: Mit absoluter Transparenz. Ich habe ja schon in meinem letzten Programm vieles aus meinem Leben öffentlich gemacht. Das wird jetzt verschärft. Es geht jetzt um Körperfunktionen und Leberwerte. Wie diese Leute der Quantified-Bewegung, die alle Daten von sich sammeln und über das Internet weiterverschicken.
Frage: Sind Sie selber viel im Internet unterwegs?
Antwort: Ich bin eigentlich ein analoges Produkt. Ich habe zwar einen Facebook-Account, aber den mache ich nicht selber. Das sind mir zu viele Freunde. Ich habe da einmal was reingeschrieben und es kam eine Flut von Antworten. Das war mir ein bisschen unheimlich. Andererseits wär ich ohne dieses YouTube gar nicht so bekannt geworden. Viele Leute kennen meine Songs ja aus dem Internet und kommen dann zu den Konzerten.
Frage: Haben Sie vor Auftritten manchmal den Alptraum, dass keiner lacht?
Antwort: Ich erlebe das ja öfter. Es gibt Abende, wo es plötzlich sehr still ist und die Leute an bestimmten Stellen einfach nicht lachen, wo sich andere am Vortag weggeschmissen haben. Früher habe ich das oft erlebt, als ich auf Veranstaltungen gespielt habe, wo die Leute nicht wegen mir da waren. Da war das oft ganz kalt oder sogar böse. Da gab's auch schon mal Rufe wie „Hau ab!“ oder „Nächster!“.
Frage: Bei ihren Auftritten gibt es neben Gelächter immer auch sehr ernste Gesichter. Verstehen manche Ihren Humor nicht?
Antwort: Das ist immer die Kante, die ich suche. Wenn die Zeilen gut sind, dann kann man immer beides haben. Das hat alles eine Grundierung, die sehr ernsthaft ist. Und das kippt dann. Manche fahren halt auf das Traurige ab und die anderen lachen sich kaputt.
Frage: Sind Sie privat eher lustig oder ernst?
Antwort: Ich bin eigentlich eher melancholisch oder nachdenklich. Ich gehöre nicht zu denen, die auf jeder Party den Witzbold machen. Das platzt dann eher auf der Bühne raus.
Frage: Berühmt wurden Sie mit dem Lied „Brandenburg“. Planen Sie wieder eine neue Länder-Hymne.
Antwort: Ich habe jetzt alle fünf Ostländer besungen. Ich habe den Eindruck, das ist ein bisschen auserzählt. Vielleicht besinge ich mal Straßen oder Städte. Zum Beispiel Kassel. So vergessene Mittelstädte.