Regielegende Kupfer inszeniert festspielwürdigen „Rosenkavalier“
Salzburg (dpa) - Es war einer jener Salzburger Opernabende, an denen einmal (fast) alles stimmte.
Sogar das Wetter spielte mit. Der Dauerregen der letzten Tage hatte aufgehört und das aufgebrezelte Publikum konnte den Pausenchampagner bei angenehmen 23 Grad und leichtem Wind im Freiluftfoyer vor dem Festspielhaus genießen und über einen festspielwürdigen „Rosenkavalier“ plaudern. Die stimmige Edel-Inszenierung von Regie-Altmeister Harry Kupfer im Ambiente des Fin de Siècle, große Stimmen und das Hochglanz-Dirigat von Franz Welser-Möst wurden denn auch ausgiebig bejubelt.
Harry Kupfer, der seine Karriere in den 50er Jahren in der DDR-Provinz begonnen hatte und in Bayreuth zusammen mit dem Dirigenten Daniel Barenboim auch einmal einen gefeierten „Ring“ inszeniert hatte, ist kein Stückezertrümmerer. Eher ein genialer Handwerker, der sein Metier so versteht wie kaum ein anderer. Den 78-Jährigen zu engagieren, der schon mehr als 200 Opern in Szene setzte, ist eine sichere Bank.
Was den österreichischen Gastgebern wohl besonders gut gefallen hat: Kupfer und sein Leib-Bühnenbildner Hans Schavernoch erwiesen dem ewigen Wien ausgiebig Referenz mit edlen Schwarz-weiß-Impressionen wie aus dem Coffee-Table-Book. Die bilden den Hintergrund, während auf der spärlich dekorierten Drehbühne davor übergroße, abstrakt wirkende Architekturelemente - eine riesige Türe, ein Spiegel, Marmorwände - wie von Geisterhand durch die Szene schweben.
Mit wenigen Kunstgriffen gelingen Kupfer und Schavernoch selbst auf der Riesenbühne des Festspielhauses intimste Momente. Etwa zum Ende des ersten Aktes, wenn die langsam in die Jahre kommende Marschallin, gesungen von der fulminanten Krassimira Stoyanova, über die Zeit („ist ein sonderbar Ding“) nachsinnt und ihrem sehr jungen Geliebten Octavian prophezeit, dass er sich alsbald eine gleichaltrige Geliebte suchen werde. Ihr melancholischer Blick auf eine nebelverhangene Allee ist einer jener Opernaugenblicke, in denen die Zeit stehenzubleiben scheint.
Im Palais der neureichen Faninals, die ihre Tochter Sophie mit dem Landedelmann Ochs auf Lerchenau verheiraten wollen, geht es mit Design-Möbeln im Stil von Otto Wagner etwas zeitgemäßer zu als im alten Adelspalast der Marschallin. Der Ochs ist in dieser Inszenierung einmal kein täppischer, hässlicher Tölpel, sondern ein junger, blendend aussehender Mann, der sich im Takt der Musik das Hemd über dem muskulösen Oberkörper aufreißt. Günther Groissböck, der österreichische Bass, verfügt nicht nur über eine prächtige Stimme, sondern bewältigt auch die derben Mundartdialoge ohne Peinlichkeiten.
Weil sich der hormonell schwer zügelbare Ochs schon vor der Vermählung mit Sophie eine Parallelbeziehung mit der Kammerzofe der Marschallin gönnt, bei der es sich freilich um den verkleideten Octavian handelt, gibt es im dritten Akt, der im Wiener Prater spielt, allerlei peinliche Verwicklungen. Dann erst kann Octavian, der sich längst in Sophie verliebt hat, dieser endlich in die Arme fallen, während sich die Marschallin mit nobler Geste in Entsagung übt. Ein paar Takte vor dem zauberhaften Ende entglitt Mojca Erdmann als Sophie im Duett mit Sophie Koch als Octavian leider die Intonation. Das trübte den Abend ein wenig.
Franz Welser-Möst, der sein Zerwürfnis mit dem scheidenden Festspielintendanten Alexander Pereira offenbar beigelegt hatte und für Zubin Mehta eingesprungen war, warf sich mit Schwung in die prestigeträchtige Aufgabe. Er dirigierte einen saftigen, flotten, farbenreichen Strauss, ohne die Detailarbeit zu vernachlässigen. Und den Wiener Philharmonikern merkte man an, dass sie mit der von Walzerglück und Wiener Weltschmerz durchzogenen Partitur in ihrem Element waren.